Leitsatz (amtlich)
1. Sind die VOB/C in einen Bauvertrag einbezogen, so stellt der Abruf einer dort als Nebenleistung bewerteten Leistung keine vergütungspflichtige Leistungsänderung dar, solange nicht die Auslegung des Vertrages in seiner Gesamtheit zweifelsfrei zu einem anderen Ergebnis führt.
2. Zur Auslegung eines Vertrages über die Errichtung einer Autobahnbrücke im Hinblick auf die Frage, ob der Unternehmer für das Herstellen der Gründung das Bohren unter Wasserauflast hätte einkalkulieren müssen.
3. Streitet ein Bauunternehmer einerseits mit seinem Auftraggeber und andererseits mit seinem Nachunternehmer in unterschiedlichen Prozessen wegen der gleichen angeblichen Leistungsänderung um einen Vergütungsnachtrag, so ist zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen in beiden Rechtsstreitigkeiten eine Streitverkündung des Bauunternehmers an die jeweils nicht beteiligte Partei zulässig.
4. Lehnt eine Partei den Sachverständigen des Gerichts nach dem letzten Verhandlungstermin wegen der Besorgnis der Befangenheit ab, kann das Gericht ein unbegründetes Ablehnungsgesuch in seinem Urteil zurückweisen. Ein solches Vorgehen ist gegenüber einer Zurückweisung durch gesonderten Beschluss vorzugswürdig, um Verzögerungen des Rechtsstreits zu vermeiden.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 26.08.2015; Aktenzeichen 20 O 545/11) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG vom 26.8.2015 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Nach vorhergehender Ausschreibung beauftragte die Beklagte die Klägerin mit Baumaßnahmen für die Errichtung einer Brücke über den Zedlitzer Grund für die Bundesautobahn 72 zwischen Leipzig und Chemnitz. Die Auftragssumme belief sich auf rund 14,7 Millionen EUR.
Zu den Ausschreibungsunterlagen, die die Klägerin zur Erstellung ihres Angebots erhielt, gehörten unter anderem:
- eine Baubeschreibung (Anlage K 5),
- diverse Pläne, darunter eine von den Parteien als Plan Nr. 8 bezeichnete Darstellung, die einen Längsschnitt des zu errichtenden Brückenbauwerks und Profile des Baugrunds zeigt (Anlage K 28, im Folgenden "Plan Nr. 8"),
- ein Leistungsverzeichnis (Anlage K 6) sowie
- ein auf das "Bauwerk Z." bezogener Auszug aus dem Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben "Neubau Bundesautobahn ...C." (Anlage B 4, im Folgenden: "PFB-Auszug").
Ferner nehmen die Ausschreibungsunterlagen und das von der Klägerin erstellte Angebot Bezug auf die VOB/C und VOB/B (vgl. Anlage K 3).
In der Baubeschreibung werden unter Punkt 2.7 (S. 43f) die Baugrundverhältnisse beschrieben. Unter Ziff. 2.7.2 heißt es unter "Grundwasser":
"Im Zuge der Baugrunderkundung wurden zwei Grundwasserhorizonte angetroffen. Der Wasseranschnitt des oberen Grundwasserhorizontes erfolgte innerhalb der quartären Sande und Kiese. Das Wasser ist hier als leicht gespannt bis gespannt zu charakterisieren. (...) Unterhalb des als Grundwasserstauers einzustufenden Bornaer Hauptflözes erfolgte der Anschnitt des unteren Grundwasserspiegels. Das untere Grundwasser ist stark gespannt. Der Ruhewasserspiegel pendelte sich erst mehrere Meter über dem Wasseranschnitt ein (...)." (Anlage K 5, S. 44).
Ferner verweist die Baubeschreibung auf von der Beklagten eingeholte Baugrundgutachten, die bei der Beklagten zu Einsicht auslagen (vgl. Anlage K 5, S. 43).
Auf dem Plan Nr. 8 ist ein Längsschnitt des Bauwerks und des Baugrundes zu sehen. Die Schichtung des Baugrundes war anhand von Bohrkernprofilen ermittelt worden, deren Zusammensetzung ebenfalls auf dem Plan graphisch dargestellt ist. Es ist ersichtlich, dass im Baugrund ein Braunkohleflöz mit einer Mächtigkeit von ca. 10 bis ca. 20 m verläuft. Die Schichten unterhalb der Braunkohle sind auf dem Plan als Sand und Ton in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen und Konsistenzen angegeben.
Zu den beauftragten Bauleistungen gehören unter anderem Bohrpfähle als Gründung für die Widerlager und die Pfeiler der Brücke. Im Leistungsverzeichnis heißt dazu in den Positionen 2.2.120,. 130,. 140,. 150,. 160,. 170 unter anderem, wobei die Beklagte als "AG" bezeichnet wird:
"Pfahl 2,5 m in Festgestein nach Unterlagen des AG einbinden. Pfahl durch verrohrtes Bohren herstellen. (...)". (Anlage K 6)
Im PFB-Auszug heißt es auf S. 4:
"Bauzeitregelungen
Die Bauzeitregelung der artenschutzrechtlichen Regelungen CEF 16 (Baufeldfreimachung außerhalb des Brutzeitraumes)) und CEF 20 (Nachtbauverbote) sind zu beachten." (Anlage B 4)
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Anlagen sowie die Anlagen K 2 und K 3 verwiesen. Aus der im PFB-Auszug in Bezug genommenen Regelung ergibt sich, dass im Bereich der Baustelle ein Nachtarbeitsverbot be...