Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Unwirksamkeit von Ausschlußbeschlüssen einer Gewerkschaft
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 19.12.1975; Aktenzeichen 5 O 532.74) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. Dezember 1975 verkündete Urteil der Zivilkammer 5 des Landgerichts Berlin – 5. O. 532.74 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die 3 Kläger begehren die Feststellung, daß Beschlüsse der Beklagten vom 18.4.1973 betreffend ihren Ausschluß aus der IG D. und P. unwirksam sind.
Beruflich sind die Kläger als leitende Angestellte bei der M. Druckerei Berlin GmbH beschäftigt. Dort werden die Tageszeitungen „D. A.” und „D. T.” gedruckt. Der Kläger zu 1) leitet die Abteilung Stereotypie, der Kläger zu 2) die Rotationsabteilung und der Kläger zu 3) die Abteilungen Maschinensetzerei, Korrekturen und Zeitungssetzerei.
Mit gleichlautendem Schreiben vom 30.4.1973 hat die. Beklagte den Klägern mitgeteilt, daß der Landesbezirksvorstand in seiner Sitzung vom 18.4.1973 „nach § 11 Ziff. 1 a der Satzung” ihren Ausschluß aus der Gewerkschaft beschlossen habe, weil sie Streikbrecherarbeit geleistet hätten (Bl. 7 d.A.).
Nach der angezogenen Satzungsbestimmung der IG D. und P. kann der Ausschluß eines Mitgliedes durch den Landesbezirksvorstand erfolgen, wenn dieses „den Bestimmungen der Satzung oder den Beschlüssen der Gewerkschaft nicht Folge leistet, insbesondere bei einem von der Gewerkschaft ausgerufenen Streik Streikbrecherarbeit leistet” (Hülle Bl. 30 d.A.).
Die Kläger haben gegen ihren Ausschluß zunächst von den für diesen Fall nach § 11 Ziff. 2 der Satzung vorgesehenen Rechten Gebrauch gemacht. Ihre Beschwerde wurde vom Hauptvorstand der IG D. und P. abgelehnt (Bl. 11 d.A.). Am 30.1.1974 hat auch der Hauptausschuß der IG D. und P. die Beschwerde der Kläger zurückgewiesen und den Ausschluß endgültig bestätigt (Bl. 14 d.A.).
Dem Ausschluß der Kläger liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im März/April 1973 waren Verhandlungen der Tarifvertragsparteien für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie gescheitert. Nach vorangegangener Urabstimmung hatte die Zentrale Streikleitung der Beklagten in Stuttgart am 9.4.1973 kurzfristig für den 10.4.1973 schwerpunktmäßig Arbeitsniederlegungen – so auch bei M. in Berlin – beschlossen. Nachdem dieses von der Zentralen Streikleitung geheimgehaltene Vorhaben noch in den Nachmittagsstunden des 9.4.1973 durch die Indiskretion eines Ortsvereins der Beklagten in der Öffentlichkeit bekannt geworden war, wurde der Streikbeginn in Berlin auf den Abend des 9.4.1973 vorverlegt. Die gewerblichen Arbeitnehmer der M. Druckerei haben am 9.4.1973 gegen 19.00 Uhr die Arbeit niedergelegt. Die Zeitung „D. T.” vom 10.4.1973 konnte deshalb nur in einer Notausgabe erscheinen (Bl. 5, 15, 25 d.A.). Die Kläger haben bei der Herstellung dieser Notausgabe mitgewirkt. Von dem Kläger zu 3) stammte der Satz, soweit dieser noch nicht fertiggestellt war, der Kläger zu 1) hat die Druckplatten hergestellt und der Kläger zu 2) hat die Rotationsmaschine zum Druck fertig gemacht, in Gang gesetzt und nach Überwachung des Druckvorganges wieder ausgeschaltet.
Die Kläger haben im ersten Rechtszug vorgetragen: Sie hätten am Abend des 9.4.1973 keine Streikbrecherarbeit geleistet, sondern im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabenbereiches als Abteilungsleiter lediglich an der Herstellung der Notausgabe des „T.” mitgewirkt. Die an jenem Abend, ausgeführten Arbeiten hätten innerhalb ihres normalen Pflichtenkreises gelegen, wie er in ihren Anstellungsverträgen niedergelegt sei. Im übrigen sei der damals durchgeführte Arbeitskampf nicht rechtmäßig gewesen, weil entgegen der Satzung nur die Berliner Streikleitung die Vorverlegung des Streikbeginns beschlossen habe. Ihr Ausschluß sei auch grob unbillig, weil sie als Angestellte im Druckereiwesen Möglichkeiten der Wahrnehmung und Förderung ihrer Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nur über die Beklagte hätten.
Die Kläger haben beantragt,
festzustellen, daß die Beschlüsse der Beklagten vom 18.4.1973, mit denen sie aus der Industriegewerkschaft D. und P. ausgeschlossen wurden, unwirksam sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ordnungsmäßigkeit des Ausschlusses der Kläger wegen Streikbrecherarbeit berufen und vorgetragen: Die Vorverlegung des Streikbeginns sei entweder von dem erweiterten oder dem geschäftsführenden Vorstand in Stuttgart getroffen worden. Zu Unrecht bestreite die Klage ein streikbrecherisches Tätigwerden der Kläger am 9.4.1973; denn die Kläger hätten bei der Herstellung der Notausgabe vom 10.4.1973 die Tätigkeit gewerblicher Arbeitnehmer verrichtet und Arbeiten ausgeführt, die im Normalfall von den Streikenden erledigt worden wären.
Das Landgericht hat Beweis erhoben nach Haßgabe seiner Beschlüsse vom 9.5. und 6.8.1975 durch uneidliche Vernehmung des Gewerkschaftssekretärs E. F.. We...