Leitsatz (amtlich)
Zum Verbot des Inverkehrbringens verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch eine "Internet-Apotheke".
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 30.10.2001; Aktenzeichen 103 O 109/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des LG Berlin v. 30.10.2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der zukünftigen Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr apothekenpflichtige Arzneimittel
a) für den Endverbraucher in der Bundesrepublik Deutschland im Wege des Versandhandels in den Verkehr zu bringen,
b) für den Bezug im Wege des Versandhandels durch den letzten Verbraucher in der Bundesrepublik Deutschland zu bewerben, sofern es sich um verschreibungspflichtige Arzneimittel und/oder um solche nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt, für die eine in Deutschland gültige Arzneimittelzulassung nicht besteht.
2. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 150.000 Euro bezüglich der Unterlassung und in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 10 % wegen der Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insb. gehört es, darauf zu achten, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden.
Zu den Mitgliedern des Klägers gehören u.a. 60 Unternehmen, die pharmazeutische Produkte herstellen oder vertreiben sowie drei Innungen und zehn Fachverbände der Wirtschaft.
Der Beklagte ist niederländischer Apotheker. Er ist Inhaber der Internet-Domain "O." Jedenfalls bis zum 29.11.2000 war er verantwortlicher Apotheker und jedenfalls bis zum 31.5.2001 Vorstandsmitglied der D.M. Vor und nach diesem Zeitpunkt betrieb jedenfalls die D.M. unter der genannten Domain eine "Internet-Apotheke". Die Kunden können sich über die Internet-Adresse über Arzneimittel informieren, Fragen an Pharmazeuten stellen und sowohl verschreibungspflichtige, als auch frei verkäufliche Arzneimittel bestellen. Die individuelle Bestellung wird - ggf. nach Einsendung des entsprechenden ärztlichen Rezeptes - von den Niederlanden aus per Boten oder Post an den Besteller verschickt, wobei darauf geachtet wird, dass nur die für den persönlichen Bedarf üblichen Mengen bezogen werden. Das Internet-Angebot ist auch in deutscher Sprache abrufbar. Die Zulassung der Arzneimittel richtet sich nach niederländischem Recht. Hinsichtlich der Verschreibungspflicht wird bei unterschiedlicher Regelung in den Niederlanden und dem Empfangsstaat die jeweils strengere Regel zugrunde gelegt. Eine persönliche Beratung kann der Patient per Email oder telefonisch einholen. Zur Beantwortung allgemeiner Fragen zur Gesundheit und zu Arzneimitteln stehen drei approbierte Apotheker, eine Ärztin und pharmazeutisch-technische Assistenten zur Verfügung.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Internet-Aktivitäten des Beklagten stellten einen Versandhandel von Arzneimitteln dar und verstießen gegen § 43 Abs. 1 AMG a.F. Ferner verstoße das Geschäftsgebaren des Beklagten gegen das Werbeverbot nach § 8 Abs. 1 HWG a.F. Der Verstoß gegen diese Vorschrift sei zugleich eine Verletzung von § 1 UWG a.F..
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, bei Vermeidung eines für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, apothekenpflichtige Arzneimittel
a) für den Endverbraucher im Wege des Versandhandels in den Verkehr zu bringen,
b) für den Bezug im Wege des Versandhandels durch den letzten Verbraucher zu bewerben.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der in Rede stehende Versandhandel sei erlaubt. Wegen des grenzüberschreitenden Bezugs des zugrunde liegenden Sachverhalts sei Europäisches Gemeinschaftsrecht anwendbar, so dass die einschlägigen Vorschriften des AMG und des HWG einschränkend gemeinschaftskonform auszulegen seien. Die Tätigkeit sei zwar grundsätzlich von dem Verbotstatbestand des § 43 Abs. 1 AMG a.F. erfasst gewesen, falle jedoch unter die Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 2 Nr. 6a AMG und sei aus diesem Grunde zulässig. Auch gegen die Vorschriften des HWG habe er nicht verstoßen, insb. nicht gegen ...