Leitsatz (amtlich)
Entfällt eine planungsrechtlich zulässige bauliche Nutzung nach sieben Jahren durch eine planungsrechtliche Änderung ist der Wegfall der Nutzungsmöglichkeit als solcher nicht zu entschädigen, sondern nur ein wertmindernder Eingriff in die ausgeübte Nutzung (§§ 95 Abs. 2 Nr. 7, 42 Abs. 3 Satz 1, 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Eine einschränkende Auslegung des § 43 Abs. 3 Satz 2 BauGB dahin, dass die Vorschrift bei sog. isolierten eigentumsentziehenden Eingriffen nicht anzuwenden sei, ist im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - nicht zulässig. Sie ist auch nicht geboten, weil es sich bei der Regelung des § 42 Abs. 3 BauGB um eine nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums handelt und gegen unzulässige Planänderungen verwaltungsgerichtlicher Primärrechtsschutz besteht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 23.10.2013; Aktenzeichen O 1/12 Baul) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beteiligten zu 3) wird das Urteil des LG Berlin vom 23.10.2013 zu O. 1/12 Baul abgeändert und der Antrag der Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung vom 19.3.2012 zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beteiligten zu 1) zur Last mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2), welche dieser selbst zu tragen hat.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligte zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beteiligte zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Höhe der Entschädigung nach einer die Enteignung ersetzenden Einigung zwischen der Beteiligten zu 1) und dem Beteiligten zu 2) über den Eigentumsübergang an einem Grundstück von der Beteiligten zu 1) auf den Beteiligten zu 2).
Kern der Auseinandersetzung ist, nach welchem Maßstab die Entschädigung zu bestimmen ist. Der Wert des Grundstücks nach seiner tatsächlichen Nutzung (Brache mit geringer gewerblicher Nutzung) beläuft sich nach dem von der Beteiligten zu 3) eingeholten Gutachten des Gutachterausschusses auf 120.000 Euro, die gezahlt sind. Der Verkehrswert nach der ursprünglich zulässigen Nutzung (Bebaubarkeit nach § 34 BauGB) läge bei 145.000 Euro; die Beteiligte zu 1) meint, dies sei entgegen dem Gutachten auch der Verkehrswert unter Berücksichtigung der tatsächlichen Nutzung.
Das LG hat dem auf eine weitere Entschädigungsleistung über 25.000 Euro zielenden Antrag der Beteiligten zu 1) mit Urteil vom 23.10.2013 stattgegeben.
Gegen dieses ihr am 12.11.2013 zugestellte Urteil wendet sich die Beteiligte zu 3) mit ihrer am 10.12.2013 bei Gericht eingegangenen Berufung, die sie mit Schriftsatz vom 13.1.2014, eingegangen bei Gericht am selben Tag, begründet hat. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Antrag der Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung vom 19.3.2012 zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 1) beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 2) hat keinen Antrag gestellt.
Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
II. Die gemäß §§ 221 Abs. 1 Satz 1, 222 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 229 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit §§ 511 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beteiligten zu 3) ist begründet.
Die Beteiligte zu 3) hat die der Beteiligten zu 1) von dem Beteiligten zu 2) gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu gewährende Entschädigung für den enteignungsgleichen Verlust des Grundstückes S.Straße ..., in B.-M.durch Teileinigung der Beteiligten zu 1) und 2) (§§ 111 Satz 1, 110 Abs. 3 Satz 1 BauGB) in ihrem Entschädigungsfeststellungsbeschluss vom 14.2.2012 zutreffend nach Maßgabe von § 95 BauGB auf 120.000 Euro festgesetzt. Entgegen der Auffassung des LG war die Entschädigung nicht auf 145.000 Euro festzusetzen und hat der Beteiligte zu 2) der Beteiligten zu 1) keine weiteren 25.000 Euro als Entschädigung für den Rechtsverlust an dem Grundstück zu zahlen.
1. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BauGB bemisst sich die Entschädigung für den durch die Enteignung eingetretenen Rechtsverlust nach dem Verkehrswert des zu enteignenden Grundstücks. Grundsätzlich ist für die Bemessung der Entschädigung der Zustand des Grundstücks in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die Enteignungsbehörde über den Enteignungsantrag entscheidet, sowie der zu diesem Zeitpunkt bestehende Verkehrswert (§§ 93 Abs. 4 Satz 1, 95 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Wie das LG zutreffend ausgeführt hat und von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen worden ist, ist für die Bewertung des der Beteiligten zu 1) entzogenen Grundstücks aber aufgrund der vom LG angeführten Umstände auf dessen Zustand am 10.3.1994 abzustellen (sog. Qualitätsstichtag) und für die Bestimmung des Verkehrswertes auf den 2.10.2003 (sog. Bewertungsstichtag...