Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 05.01.2012; Aktenzeichen (573) 281/61 Js 3487/10 Ls Ns (105/11))

 

Tenor

1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Januar 2012 wird verworfen.

2. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagte wegen Diebstahls (§§ 242 Abs. 1, 248a StGB) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,-- Euro verurteilt. Ihre Berufung hat das Landgericht Berlin mit der Maßgabe verworfen, dass es der Angeklagten gemäß § 42 StGB Zahlungserleichterungen gewährt hat.

Mit ihrer hiergegen eingelegten Revision rügt die Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit näheren Ausführungen macht sie im Wesentlichen geltend, das Landgericht habe einen am letzten Verhandlungstag gestellten Beweisantrag verfahrensfehlerhaft nicht durch Beschluss in der Hauptverhandlung (§ 244 Abs. 6 StPO), sondern erst in den Urteilsgründen beschieden und damit ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Das Gericht habe den Antrag überdies zu Unrecht, mit widersprüchlichen und unzureichenden Erwägungen, abgelehnt. Mit ihrer unbeschränkten Sachrüge bringt sie vor, die Feststellungen des Landgerichts trügen den Schuldspruch wegen Diebstahls nicht.

Das Rechtsmittel hat entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft keinen Erfolg.

1. Der Verfolgung des Diebstahls geringwertiger Sachen steht nicht entgegen, dass die Geschädigte der Diebstahlstat entgegen der Darlegung des Landgerichts keinen Strafantrag gestellt hat. Ein Strafantrag liegt nur bezogen auf zum Nachteil des Zeugen M. begangene Straftaten (vorsätzliche Körperverletzung und Beleidigung) vor. Mit der Erklärung der Staatsanwaltschaft im Termin vom 11. Juli 2011, sie halte die Verfolgung der Tat wegen besonderen öffentlichen Interesses von Amts wegen für geboten, ist indessen eine der in § 248a StGB alternativ genannten Prozessvoraussetzungen erfüllt.

2. a) Der Einwendung der Angeklagten, das Landgericht sei fehlerhaft verfahren, liegt das folgende Geschehen zugrunde:

Das Amtsgericht hatte den Sachverständigen mit der medizinisch-psychiatrischen Untersuchung der Angeklagten zur Frage der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) beauftragt. Diesen Sachverständigen hat die Kammer in der Berufungshauptverhandlung angehört. Im Hauptverhandlungstermin vom 5. Januar 2012 hat der Verteidiger der Angeklagten einen Schriftsatz eingereicht, in dem er für den Fall, dass

"das Gericht der Auffassung des Sachverständigen, er könne nicht ausschließen, dass im Zeitpunkt des Einsteckens der Ware die Steuerungsfähigkeit von Frau aufgehoben war",

nicht zu folgen beabsichtige, beantragt hat,

"ein weiteres psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsache, dass Frau schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB gewesen ist, als sie die Ware eingesteckt hat".

In seiner Antragsbegründung gibt der Verteidiger im Wesentlichen die Ausführungen des Sachverständigen, so wie er sie verstanden hat, und die Ansicht wieder, die Kammer verfüge nicht selbst über die erforderliche Sachkunde

"beurteilen zu können, ob in Fällen zwanghaften Stehlens im Allgemeinen bzw. bei Frau im Besonderen die Steuerungsfähigkeit aufgehoben oder etwa nur vermindert ist".

Die Antragsschrift schließt mit dem Zusatz:

"Auf eine Entscheidung über den Antrag vor Schließung der Beweisaufnahme wird nicht verzichtet."

Ziel des Antrags - so die Antrags- und die Revisionsbegründung - sei es gewesen, die Bewertung der Kammer zu ergründen und für den Fall, dass die Kammer - wie zuvor schon das Amtsgericht - eine lediglich erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) annähme, die Einholung einer zweiten sachverständigen Meinung zu erreichen.

Das Sitzungsprotokoll enthält den Vermerk, dass der Antrag mit den Verfahrensbeteiligten erörtert wurde, und die folgende Niederschrift:

"Der Vorsitzende wies darauf hin, dass es sich trotz der Nichtverzichtserklärung am Schluss des Antrages um einen Hilfsbeweisantrag handelt, da die Beweiserhebung ausdrücklich nur für den Fall einer bestimmten Überzeugungsbildung der Kammer beantragt wird. Über einen solchen Antrag darf nach der Rechtsprechung in der Urteilsberatung entschieden werden, es sei denn, die Bedingung werde noch eindeutig aus dem Antrag herausgenommen.

Der Verteidiger gab daraufhin keine weitere Erklärung ab.

Weitere Beweisanträge wurden nicht gestellt; die Beweisaufnahme wurde im allseitigen Einvernehmen geschlossen."

Das Landgericht hat den Antrag als Hilfsbeweisantrag behandelt und nicht mit einem gesonderten Gerichtsbeschluss, sondern in den Urteilsgründen zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass sie - durch den Sachverständigen beraten - selbst die erforderliche Sachkunde besitze und die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens auch nicht aus anderen Gründen erforderlich gewesen sei (§ 244 Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO).

b) Mit ihrem Einwand, die Kammer habe "offene Fragen" mit dem S...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge