Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 30.05.2011; Aktenzeichen 32 O 132/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Berlin vom 30.5.2011 - 32 O 132/10 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere 5.975,22 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.717,51 EUR seit dem 7.1.2008, aus 1.999,16 EUR seit dem 7.1.2009 sowie aus 2.258,55 EUR seit dem 7.1.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO).
II. Die Berufung der Kläger ist statthaft, frist- und formgerecht eingereicht und begründet worden (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO). In der Sache hat sie Erfolg.
Den Klägern steht gegenüber der Beklagten nach § 3 des Mietvertrages vom 05.04./10.5.2002 i.V.m. § 535 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung der aus den Betriebskostenabrechnungen resultierenden Nachzahlungsbeträge i.H.v. 1.297,51 EUR für 2006, i.H.v. 1.579,16 EUR für 2007 und i.H.v. 1.835,55 EUR folgenden Nachzahlungsbeträgen, sowie ein Anspruch auf Zahlung des nicht geleisteten Anteils der Heizkostenvorauszahlung für den Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2009 i.H.v. 1.260 EUR (36 × 35 EUR) zu.
Die sich aus den formell ordnungsgemäß erstellten und der Beklagten zugegangenen Betriebskostenabrechnungen ergebenden Nachforderungen sind fällig (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.2006 - VIII ZR 78/05; BGH, Urt. v. 14.2.2007 - VIII ZR 1/06; BGH, Urt. v. 28.5.2008 - VIII ZR 261/07 - wonach der Eintritt der Fälligkeit nicht voraussetzt, dass nach Erteilung der Abrechnung zunächst eine angemessene Frist zu ihrer Überprüfung durch den Mieter verstrichen ist - Rechtsprechung hier und nachfolgend zitiert nach juris), da der Beklagten ein nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB zu korrigierendes Zurückbehaltungsrecht wegen eines vertragswidrigen Verhaltens der Kläger im Hinblick auf die Wahrung des Einsichtsrechts der Beklagten in die den streitgegenständlichen Abrechnungen zugrunde liegenden Belege nicht zusteht.
Zwar kann dem Mieter gegenüber der Nachforderung des Vermieters ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB zustehen, solange der Vermieter ihm keine Überprüfung der Abrechnung ermöglicht. Da die Pflicht zur Einsichtgewährung insoweit gegenüber der Mieterpflicht zum Ausgleich des Nebenkostensaldos vorgreiflich ist, verletzt der Vermieter durch Verweigerung der Belegeinsicht eine vertragliche Nebenpflicht. In diesem Falle stellt sich das Zahlungsverlangen des Vermieters unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung als ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) mit der Folge dar, dass eine Zug um Zug Verurteilung des Mieters, wie sie in § 274 BGB für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts vorgesehen ist, ausscheidet (vgl. zum Meinungsstand im Einzelnen: Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 556 Rz. 429 ff., 493; Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl. 2012, § 535 Rz. 97).
Die Mitarbeiter der für die Kläger handelnden Hausverwaltung haben jedoch der Beklagten die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Büroräumen der Hausverwaltung und damit die Möglichkeit ihrer Überprüfung jedenfalls angeboten und nicht verweigert, so dass ein vertragswidriges Verhalten nicht gegeben ist. Nach § 4 des Mietvertrages vom 05.04./10.5.2002 wird dem Mieter freigestellt, innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang der Betriebskostenabrechnung in den Büroräumen der Hausverwaltung in die jeweiligen Abrechnungsbelege Einsicht zu nehmen. Entsprechend dieser vertraglichen Vereinbarung wurde bei Übersendung der streitgegenständlichen Betriebskostenabrechnungen in den jeweiligen Anschreiben mitgeteilt: "Die Berechnungsunterlagen liegen, nach telefonischer Terminvereinbarung, in unserem Büro zur Einsichtnahme bereit." Damit wurde der Beklagten die Einsichtnahme in den Büroräumen der für die Kläger tätigen Hausverwaltung, die sich im selben Hauskomplex und damit in der Nähe der streitgegenständlichen Gewerberäume befinden, angeboten und konnte jederzeit von der Beklagten wahrgenommen werden. Diese Vorgehensweise ist angesichts der Tatsache, dass die Hausverwaltung nicht nur die streitgegenständlichen Gewerberäume verwaltet, als verkehrsüblich anzusehen und begegnet daher keinen Bedenken. Eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten der Kläger kann danach jedenfalls nicht festgestellt werden, da der Beklagten grundsätzlich die Möglichkeit zur Einsichtnahme in die Abrechnungsbelege angeboten wird. Die Beklagte hat jedoch ihrerseits lediglich mit dem Widerspruchsschreiben vom 21.1.2008 (Anlage B 14) um Einsicht in die Abrechnungsunterlagen und um eine terminliche Absprache mit ihr gebeten. Im Übrigen hat die Beklagte mit den Schreiben vom 17.2.2009 (Anlage B 16) und vom 7.1.2010 (Anlage B 18) "Widerspruch" gegen die übersandten Betriebskostenabrechnungen für das Jahr 2007 bzw. ...