Leitsatz (amtlich)

Auch wenn Einwendungen gegen die auf der Grundlage eines gerichtlichen medizinischen Sachverständigengutachtens getroffene erstinstanzliche Tatsachenfeststellung noch im Berufungsverfahren mithilfe eines medizinischen Privatgutachtens erhoben werden können (BGH, Urt. v. 8.6.2004 - VI ZR 199/13 Rz. 27, BGHZ 159, 245 = NJW 2004, 2825 = NZV 2004, 510) bedeutet dies nicht, dass diese nunmehr im Privatgutachten über eine eingetretene Berufsunfähigkeit auf eine breitere Tatsachenbasis - erlangt durch eine "Fremdanamnese" und zusätzliche Angaben des zu Begutachtenden gegenüber dem Privatgutachter - gestützt werden könnten, sofern erstinstanzlich die dem Sachverständigengutachten zugrunde gelegten Befundtatsachen ordnungsgemäß erhoben wurden, der gerichtliche Sachverständige die zu untersuchende Person bei der Exploration also ausreichend zu seiner Biographie, seinen Beschwerden, den Krankheitsverlauf und einschränkenden Auswirkungen seiner Erkrankung befragt hat.

 

Normenkette

ZPO §§ 286, 404a, 411 Abs. 4, § 529 Abs. 1, § 531 Abs. 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 28.02.2013; Aktenzeichen 7 O 354/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Berlin vom 28.2.2013 - 7 O 354/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages anzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zzgl. 20 % leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt als Versicherungsnehmerin von der Beklagten Leistungen aus -im Zusammenhang mit kapitalbildenden Lebensversicherungen abgeschlossenen- Berufsun-fähigkeitszusatzversicherungen, die aufgrund einer Kündigung der Klägerin zum 1.6.2007 beendet worden sind. Versicherte Person war jeweils der frühere Ehemann der Klägerin, Herr D.H., der seit Anfang der 1990-er Jahre als selbständiger Versicherungsvertreter eine Agentur der Beklagten geleitet und diese Tätigkeit zum 31.3.2004 aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat.

Die Klägerin behauptet, der Versicherte leide an einem anhaltenden mittelschweren depressiven Syndrom verbunden mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung und sei aufgrund dieser Erkrankung jedenfalls seit dem 25.12.2003 bedingungsgemäß berufsunfähig in seiner zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit.

Das LG hat mit Urteil vom 28.2.2013 die Klage auf Leistungen aus den Berufsunfähigkeitsversicherungen nach Beweisaufnahme -sachverständige Begutachtung des Versicherten durch Dr. med. A.K., auf dessen schriftliche und mündliche Ausführungen (Bd. I Bl. 94 - 117 und Bd. I Bl. 144 - 147) verwiesen wird- abgewiesen. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in 1. Instanz und wegen der Begründung der Klageabweisung wird auf das angefochtenen Urteil (Bd. I Bl. 181 - 187) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 15.3.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.4.2013, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese -nachdem die Frist auf mehrmalige fristgerecht gestellte Verlängerungsanträge letztlich bis zu diesem Tag verlängert worden war- mit am 7.8.2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Klägerin rügt unter Vorlage eines psychiatrischen Privatgutachtens der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie S.B.vom 26.7.2013 (eingereicht als Anlage MP1, Bst. II sowie - mit Seitenzahlen - zu Bd. II Bl. 21 ff. d.A.) sowie eines in einem Klageverfahren vor dem LG München I erstellten Gutachten des Sachverständigen Professor Dr. S.vom 12.1.2010 (Bd. II Bl. 3 - 19) eine unzureichende Tatsachenfeststellung durch das LG sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung. Sie ist der Ansicht, das Gutachten des Sachverständigen Dr. K.sei unbrauchbar, weil es auf einer unzureichenden Grundlage erstellt worden sei; so habe der Sachverständige anders als die Privatsachverständige B.keine testpsychologischen Untersuchungen durchgeführt und keine Fremdanamnese erhoben, obwohl eine Fremdanamnese nach der "SK 2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen AWMF - Registernummer 051/029" vorgesehen sei. Ein psychodynamischer Verlauf sei bei ihm nicht beschrieben. Aufgrund der unzureichenden Grundlage habe er nicht erkannt, dass der Versicherte in weitaus größerem Maße seit 2002/2003 psychisch erkrankt und deshalb nicht mehr in der Lage gewesen sei, seinen Beruf auszuüben. So leide er unter einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, seit 1995 unter einer Somatisierungsstörung, ab 2002/2003 sei eine mittelgradig depressive Episode hinzugekommen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten B.und ihre mit Schriftsatz vom 5.8.2014 vorgetragenen Stellungnahmen (Anl. MP 2, II/161 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des LG Berlin vom 28.2.2013 (7 O 354/10) zu ändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu Händen von Herrn D.H.

a) aus der Berufsunfähigkeitszusatzversiche...

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