Leitsatz (amtlich)
Reichweite der Verjährungserstreckung bei § 213 BGB
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 10 O 151/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.07.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - Az. 10 O 151/14 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und werden die Beklagten verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen des am 18.05.2003 verstorbenen G... S... zu erteilen. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Stufenklage sowie die Kosten des Rechtsstreits an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht aus ererbtem Recht des am 18.05.2003 verstorbenen G... D... S... (im Folgenden: Erblasser) eine Forderung auf Aufstockung einer Abfindung geltend. Weiter verfolgt sie im Wege der Stufenklage Auskunfts- und Herausgabeansprüche. Hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Klägerin hat insbesondere die Ansicht vertreten, dass die Abschichtungsvereinbarungen vom 19.04.2000 (Anlage K7) und vom 20.12.2000 (Anlage K8) zwischen dem Erblasser und der Erbengemeinschaft nach dem am 16.06.1977 verstorbenen A... S..., dem Vater des Erblassers, sittenwidrig seien. Der Erblasser sei von den Beklagten zu 1) und 2) und seiner Mutter, Frau M... S..., übervorteilt worden. Folge der Sittenwidrigkeit sei jedoch nicht die Gesamtnichtigkeit der Vereinbarungen. Vielmehr sei der Erblasser bereits aufgrund der Vereinbarung vom 19.04.2000 aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden. Im Hinblick auf die sittenwidrig zu niedrige Abfindung bestehe jedoch ein zusätzlicher Abfindungsanspruch in angemessener Höhe von 10 Millionen Euro. Der Anspruch sei - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht verjährt. Die Einrede der Verjährung sei jedoch auch verwirkt. Die Beklagten hätten sie nämlich auf das Übelste verleumdet, um sie von der Geltendmachung ihrer Rechte abzuhalten. Zur Stufenklage hat die Klägerin vorgetragen, dass der Erblasser mit seiner Mutter sowie den Beklagten zu 1) und 2) in Hausgemeinschaft im Sinne des § 2028 I BGB gelebt habe. Die Beklagte zu 1) habe zwei eigene Zimmer in der mütterlichen Wohnung gehabt. Die Beklagte zu 2) habe aus der Wohnung die Geschäfte der Erbengemeinschaft geführt. Zwar sei der Erblasser ca. anderthalb Jahre vor seinem Tod aus der Wohnung ausgezogen, sein Hab und Gut sei jedoch in der Wohnung verblieben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Zahlung einer weiteren Abfindung verjährt sei. Aufgrund der Abschichtungsvereinbarung vom 20.12.2000 habe der Erblasser Kenntnis davon gehabt, dass die vereinbarte Abfindung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Rechten stehe, auf die er im Gegenzug verzichtet habe. Ihm sei bekannt gewesen, dass das von der Erbengemeinschaft verwaltete Vermögen auf 60 Mio. DM geschätzt worden sei und seine Abfindung weniger als die Hälfte des auf ihn entfallenden Vermögensanteils betragen sollte. Da die höchstrichterliche Rechtsprechung die Auffälligkeitsgrenze bei der Hälfte des Wertes ziehe, komme es auf einen späteren Zeitpunkt nicht an, bei dem der Erblasser genaue(re) Kenntnis eines angeblich noch höheren Missverhältnisses erlangt habe. Nach § 195 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 IV 1 EGBGB sei von einer Verjährung der Ansprüche mit Ablaufs des 31.12.2004 auszugehen. Die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 197 I Nr. 2 BGB a.F. greife nicht, weil Streitgegenstand nicht ein erbrechtlicher Anspruch sei sondern ein Anspruch nach § 738 BGB.
Die Ansprüche der Klägerin wären - so das Landgericht weiter- auch dann verjährt, wenn die am 28.08.2002 beim Landgericht Berlin anhängig gewordene Klage (Az. 36 O 402/02) eine Hemmungswirkung im Zeitraum vom 28.08.2008 bis 29.10.2011 zur Folge gehabt hätte. Denn dann wäre die Verjährungsfrist zum 01.03.2014 abgelaufen und damit vor Einreichung der vorliegenden Klage am 19.03.2014. Darauf komme es allerdings nicht an, weil diese Klage schon keine Hemmungswirkung nach §§ 204 I Nr. 1, 213 BGB entfaltet habe. § 213 BGB erfordere die Geltendmachung von Ansprüchen, die in elektiver oder alternativer Konkurrenz zueinander stünden. Solche Ansprüche seien vorliegend nicht gegeben, da von Anfang an nur ein Anspruch der Klägerin auf Abfindung bestanden habe. Da die fortgesetzte Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft gesetzlich zu keinem Zeitpunkt vorgesehen gewesen sei, habe kein Wahlrecht und damit keine elektive Konkurrenz bestanden. Die Annahme einer alternativen Konkurrenz scheitere schon an den unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen, die bei der Feststellung einer Mitgliedschaft in einer Erbengemeinschaft im Vergleich zu einem Zahlungsanspruch bei Ausscheiden aus der Gemeinschaft mit Abfindung verfolgt würden.
Die Einrede der Verjährung sei auch nicht verwirkt. Die behaupteten verwerflichen Verhal...