Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiskraft der Zustellungsurkunde

 

Leitsatz (amtlich)

Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde nach § 418 ZPO erstreckt sich nicht darauf, dass unter der gegebenen Zustellungsanschrift eine Wohnung des Adressaten existiert.

Die bloße Indizwirkung der Zustellungsurkunde, dass der Adressat unter der Zustellanschrift auch tatsächlich wohnhaft ist, kann durch eine plausible und schlüssige Darstellung der tatsächlichen Wohnverhältnisse durch den Adressaten erschüttert und entkräftet werden.

 

Normenkette

ZPO § 418

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 12.01.2004; Aktenzeichen 34 O 82/03)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12.1.2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 34 - 34 O 82/03 - und das zugrunde liegende Verfahren (§ 538 Abs. 2 S. 1 ZPO) aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG, welches auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die am 8.3.2004 eingelegte und mit einem am 6.4.2004 eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 6.2.2004 zugestellte Urteil des LG Berlin vom 12.1.2004 auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin u.a. vor:

Sie sei seit dem 1.1.2003 unter der Anschrift J.-straße 6 in P. ordnungsgemäß gemeldet gewesen. Die entsprechenden Meldebescheinigungen seien dem Gericht, welches hierüber sogar eine amtliche Auskunft eingeholt habe, vorgelegt worden. Die Auskunft habe ebenfalls ergeben, dass die Beklagte von ihrer früheren Anschrift in O., B.-weg 33/35 am 1.1.2003 nach P. abgemeldet worden sei.

Weder die Klageschrift mit der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens, noch das Versäumnisteilurteil vom 30.6.2003 seien ihr ordnungsgemäß zugestellt worden. Tatsächlich seien ihr beide Schriftstücke nicht einmal zugegangen.

Entgegen der Annahme des LG sei ihr Einspruch vom 25.8.2003 gegen das Versäumnisteilurteil vom 30.6.2003 bereits deshalb nicht verspätet und damit unzulässig gewesen, weil mangels ordnungsgemäßer Zustellung des im schriftlichen Vorverfahren ergangenen Urteils die Einspruchsfrist nicht zu laufen begann.

Die Beklagte beantragt, auf die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Urteil des LG Berlin vom 12.1.2004, zugestellt am 6.2.2004, wird das Urteil aufgehoben, hilfsweise, den Rechtsstreit gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO an das LG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, dass das LG zutreffend davon ausgegangen sei, dass die Zustellung durch die bei den Akten befindliche Postzustellungsurkunde bewiesen sei. Die Beklagte habe nicht beweisen können, dass sie unter der Zustellanschrift nicht mehr wohnhaft gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LG

1. Das LG hat den Einspruch der Beklagten zu 1) gegen das Versäumnisteilurteil vom 30.6.2004 zu Unrecht gem. § 341 Abs. 1 S. 2 ZPO als unzulässig verworfen.

Der Einspruch der Beklagten zu 1) vom 25.8.2003 gegen das Versäumnisteilurteil vom 30.6.2003 war nicht nach Ablauf der Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO bei Gericht eingegangen. Diese begann mangels wirksamer Zustellung des im schriftlichen Vorverfahren gem. den §§ 276, 331 Abs. 3 ZPO erlassenen Versäumnisteilurteils an die Beklagte zu 1) bisher überhaupt nicht zu laufen.

Voraussetzung des Beginns der Einspruchsfrist ist die Verkündung des Versäumnisurteils, die gem. § 310 Abs. 3 ZPO bei im schriftlichen Vorverfahren erlassenen Versäumnisurteilen durch (wirksame) Zustellung an die Parteien erfolgt (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 339 Rz. 4).

a) Die Zustellung des Versäumnisteilurteils erfolgte ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde, Bl. 57, am 8.7.2003 durch Übergabe an Frau C.B. als einem erwachsenen Familienangehörigen unter der Anschrift B.-weg 33 in O.

Das LG hat das Vorbringen der Beklagten zu 1), dass sie zum Zeitpunkt der Zustellung unter der genannten Anschrift nicht wohnhaft war, fehlerhaft nicht berücksichtigt. Zwar ist es zunächst richtig davon ausgegangen, dass auf die Zustellungsurkunde § 418 ZPO anwendbar ist und die Urkunde damit vollen Beweis für die in ihr enthaltenen Angaben erbringt. Hierzu gehört jedoch nicht die Tatsache, dass der Zustellungsempfänger unter der Zustelladresse tatsächlich wohnhaft ist (OLG Naumburg v. 9.10.2000 - 14 WF 101/00, FamRZ 2001, 1013; hierzu auch BVerfG v. 3.6.1991 - 2 BvR 511/89, NJW 1992, 224). Hierbei handelt es sich um eine regelmäßig vom Postzusteller nicht nachprüfbare Tatsache. Soweit das LG davon ausgegangen ist, dass wegen § 418 ZPO allein der durch die Beklagte zu 1) zu führende Gegenbeweis die Beweiskraft der...

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