Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 25.05.2011; Aktenzeichen (276 Cs) 3042 PLs 5750/10 (74/11)) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 25. Mai 2011 wird mit der Maßgabe verworfen, dass dem Angeklagten gestattet wird, die Gesamtgeldstrafe in monatlichen Teilbeträgen von 90 (neunzig) Euro, beginnend mit dem auf die Bekanntgabe dieser Entscheidung folgenden Monat, jeweils bis zum 15. eines Monats, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn der Angeklagte schuldhaft einen Teilbetrag nicht rechtzeitig zahlt.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen Beleidigung und vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro sowie zu einer Geldzahlung an den Adhäsionskläger S. verurteilt, der auch als Nebenkläger zum Verfahren zugelassen war.
Mit seiner hiergegen eingelegten (Sprung-) Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit näheren Ausführungen macht er den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend, weil die Hauptverhandlung in Abwesenheit eines Verteidigers durchgeführt worden ist. Der Revisionsführer ist der Ansicht, ihm hätte im Hinblick darauf, dass der Nebenkläger in der Hauptverhandlung durch eine (nicht gerichtlich beigeordnete) Rechtsanwältin vertreten worden ist, nach § 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt werden müssen.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Der Senat lässt dahin stehen, ob die Rüge im Sinn von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausreichend begründet worden ist. Nach dieser Vorschrift müssen bei Erhebung der Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß enthaltenen Tatsachen so genau dargelegt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein - oder Fehlen - eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden (vgl. nur Kuckein in KK-StPO 6. Auflage, § 344 Rn. 38). Ob diese Anforderungen hier erfüllt sind, ist nicht ganz unzweifelhaft, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung; denn die Verfahrensbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Dem Verfahren liegt der mit Strafbefehlsantrag der Amtsanwaltschaft Berlin erhobene Vorwurf zugrunde, der Angeklagte habe am 13. März 2010 gegen 7.45 Uhr in der von ihm und dem Nebenkläger bewohnten Wohnung diesen sowie den weiteren Geschädigten B. beleidigt und geschlagen, dem Zeugen B. überdies einen Fußtritt versetzt.
Auf seinen ausdrücklich auf § 147 Abs. 7 StPO gestützten Antrag sind dem Angeklagten nicht nur einzelne Abschriften aus der Akte ausgehändigt worden, sondern die zuständige Amtsanwältin hat ihm eine vollständige Kopie der Akte zum Zeitpunkt des Strafbefehlsantrags überlassen. Der vom Amtsgericht am 7. März 2011 erlassene Strafbefehl führt als Beweismittel neben dem Polizeibeamten, der lediglich die Anzeigen aufgenommen hatte, die beiden Geschädigten sowie die Zeugin M. auf, die ebenfalls in der Wohnung anwesend gewesen war. Die schriftlichen Sachverhaltsschilderungen der drei Tatzeugen, die insgesamt weniger als fünf Seiten umfassten, waren ebenso Bestandteil der dem Angeklagten zur Verfügung gestellten Aktenkopie, wie ein Erste-Hilfe-Bericht des Klinikums L. vom 13. März 2010 betreffend die Verletzungen des Zeugen S.
Gegen den Strafbefehl hat der Angeklagte fristgemäß Einspruch eingelegt. Auf sein erneutes Begehren um Überlassung von Kopien der wesentlichen Aktenbestandteile ist ihm Akteneinsicht an Gerichtsstelle angeboten worden, wobei anzumerken ist, dass zwischenzeitlich außer den Antragsschriften und eigenen Stellungnahmen des Angeklagten keine Bestandteile von inhaltlicher Substanz zu den Akten gekommen waren. Zu dem später angebrachten Adhäsionsantrag des Nebenklägers hat der Angeklagte noch vor der Hauptverhandlung ausführlich Stellung genommen.
In der Hauptverhandlung, die insgesamt nur wenig mehr als 1 ¼ Stunden dauerte, sind die Zeugen S., B. und M. gehört worden. Das Amtsgericht hat Feststellungen getroffen, die dem Strafbefehl entsprechen und den Sachverhalt sowie dessen Vorgeschehen und Begleitumstände lediglich etwas näher darstellen. Die zu Lasten des bestreitenden Angeklagten vorgenommene Beweiswürdigung hat das Amtsgericht auf 1 ½ Seiten dargestellt.
2. Entgegen der Auffassung der Revision und der Generalstaatsanwaltschaft Berlin hält das Verfahren des Amtsgerichts rechtlicher Nachprüfung stand. Ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO lag nicht vor.
a) Zwar kann die Fähigkeit des Angeklagten zur Selbstverteidigung erheblich beeinträchtigt sein, wenn er sich in der Hauptverhandlung einem Nebenkläger gegenübersieht, der sich des fachkundigen Beistands und Rats eines Rechtsanwalts bedient. Nach § 140 Abs. 2 Hs. 2 StPO wird die Unfähigkeit zur Selbstverteidigung - dies folgt aus der Formulierung "namentlich" - vermutet, wenn dem Verletzten nach den §§ 397a und 4...