Leitsatz (amtlich)
§ 130d ZPO gilt auch für Syndikusrechtsanwälte und beansprucht Beachtung unabhängig davon, ob für das konkrete Verfahren Anwaltszwang herrscht oder nicht.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 20.10.2022; Aktenzeichen 32 O 164/22) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20.10.2022 - 32 O 164/22 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Einspruchs gegen einen Vollstreckungsbescheid.
Der die Beklagte vertretende Syndikusrechtsanwalt hat auf dem Postweg einen Einspruch gegen einen an Die Autobahn GmbH des Bundes am 13. Juli 2022 zugestellten Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 6. Juli 2022 übermittelt. Der Einspruch ist am 20. Juli 2022 beim Amtsgericht Uelzen eingegangen. Nach Monierung durch das Amtsgericht Uelzen, dass der Einspruch nicht als elektronischen Dokument übermittelt worden ist, hat die Beklagten den Einspruch am 28. Juli 2022 erneut als elektronisches Dokument übermittelt. Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2022 hat der Syndikusrechtsanwalt der Beklagten ausgeführt, dass eine Übermittlung des Einspruchs in elektronischer Form am 18. Juli 2022 aus technischen Gründen nicht möglich gewesen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 20.10.2022 den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid als unzulässig verworfen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie beantragt,
das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20.10.2022 zum Aktenzeichen 32 O 164/22 wie folgt abzuändern:
1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen - Zentrales Mahngericht - vom 06.07.2022, Aktenzeichen 21/8470582-0-1 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hilfsweise
2. Ihr wird wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und der Rechtsstreit an das Landgericht Berlin zur erneuten mündlichen Verhandlung zurückverwiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Einspruch der Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 6. Juli 2022 ist gemäß §§ 700 Abs. 1, 341 ZPO zu verwerfen. Er ist wegen nicht fristgemäßer Erhebung des Einspruchs unzulässig (dazu 1.). Wiedereinsetzung war der Beklagten nicht zu gewähren (dazu 2).
1. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht den Einspruch der Beklagten wegen Versäumung der zweiwöchigen Einspruchsfrist gemäß § 700 Abs. 1 i.V.m. § 339 Abs. 1 ZPO als unzulässig verworfen.
Die Einspruchsfrist begann mit Zustellung des Vollstreckungsbescheids an Die Autobahn GmbH des Bundes am 13. Juli 2022 und endete am 27. Juli 2022, 24 Uhr (dazu a)). Der postalisch am 20. Juli 2022 eingegangene Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ist formunwirksam (dazu b)).
a) Der Vollstreckungsbescheid wurde der Beklagten am 13. Juli 2022 zugestellt. Die an Die Autobahn GmbH des Bundes bewirkte Zustellung hat die Beklagte entsprechend § 171 ZPO gegen sich gelten zu lassen. Denn Die Autobahn GmbH des Bundes ist hier Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesrepublik wird durch den jeweils zuständigen Bundesminister, der nach Art. 65 Abs. 1 Satz 2 GG im Rahmen der vom Bundeskanzler bestimmten Richtlinien der Politik seinen Geschäftsbereich selbständig und eigenverantwortlich leitet, innerhalb seines Ressorts vertreten. Nur insoweit ein Vorgang keinem Ressort zuzuordnen ist, obliegt die Vertretung dem Bundesminister der Finanzen (BGH, Urteil vom 15. Juni 1967 - III ZR 137/64 - juris Rn. 6; Schultzky in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 18 Rn. 5). Durch die geltend gemachten Ansprüche ist das Ressort des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur betroffen. Dieses hat gemäß § 2 Nr. 15 der Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (VertrOBVI) vom 14.8.2014 (Verkehrsblatt 2014, 634) in der Fassung vom 29.10.2020 (Verkehrsblatt 2020, 778) Die Autobahn GmbH des Bundes als vertretungsbefugte Stelle benannt.
b) Vor Ablauf der Einspruchsfrist am 27. Juli 2022, 24 Uhr hat die Beklagte nicht wirksam Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 6. Juli 2022 eingelegt. Gemäß § 340 Abs. 1 ZPO wird der Einspruch durch Einreichung der Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht eingelegt.
aa) Der am 20. Juli 2022 beim Amtsgericht Uelzen postalisch eingegangene Einspruch hält nicht die von § 130d ZPO geforderte Form der Üb...