Leitsatz (amtlich)

Übersteigen die Nettoreparaturkosten den Wiederbeschaffungsaufwand ohne über dem Wiederbeschaffungswert zu liegen, kann der Geschädigte auf dieser Basis dann abrechnen, wenn er das Fahrzeug durch eine (Teil-)Reparatur jedenfalls in verkehrssicheren Zustand versetzt und es mindestens sechs Monate weiter benutzt (vgl. BGH, Urt. v. 29. April 2008 - VI ZR 220/07). Eines Nachweises über die Kosten der Reparatur bedarf es nicht. Zu den für eine sach- und fachgerechte Reparatur erforderlichen Kosten muss er erst dann vortragen, wenn das zur Grundlage seiner fiktiven Abrechnung gemachte Sachverständigengutachten unzureichend ist (Anschluss an BGH, Urt. v. 3. Dezember 2013, VI ZR 24/13).

 

Normenkette

BGB § 249 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 41 O 229/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Landgerichts Berlin vom 5. November 2015 - Az. 41 O 229/14 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.402,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. September 2014 zu zahlen.

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Roland-Rechtsschutz-Versicherungs AG, vertreten durch den Vorstand Rainer Brune, Deutz-Kalker Straße 46, 50689 Köln, weitere 78,91 EUR zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten erster Instanz hat der Kläger 6% und haben die Beklagten 94%, von denen des Berufungsverfahrens der Kläger 40% und die Beklagten 60% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

 

Gründe

(abgekürzt nach § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

I. Die Berufung des Klägers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Berufungsfrist von einem Monat nach § 517 ZPO ist gewahrt. Das angefochtene Urteil ist dem Prozessbevoll-mächtigten des Klägers am 13. November 2015 zugestellt worden, die Berufungsschrift ist am 14. Dezember 2015, einem Montag, beim Kammergericht eingegangen. Die Berufung ist auch mit einem am 30. Dezember 2015 eingegangenen Schriftsatz begründet worden, so dass die Frist nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO gewahrt ist. Die Berufungsbegründung genügt auch den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Da der Kläger bereits in erster Instanz weitere Reparaturkosten in Höhe von 1.052,84 Euro verlangt hat, was lediglich im Tatbestand des Urteils bei Darstellung der Klageanträge unzutreffend aufgenommen worden ist, liegt keine Klageerweiterung in zweiter Instanz in Höhe von 20 Cent vor.

II. Eine Berufung kann nach § 513 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung oder der Nichtanwendung einer Rechtsnorm beruht oder die nach § 529 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Unter Anwendung dieses Maßstabs hat die Berufung des Klägers auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keinen Erfolg, soweit eine weitergehende Entschädigung für entgangene Gebrauchsvorteile geltend gemacht wird. Hinsichtlich der geltend gemachten Reparaturkosten hat die Berufung dagegen Erfolg. Im Einzelnen gilt:

1. Der Kläger kann von den Beklagten nach § 249 Abs. 2 BGB weiteren Schadensersatz in Höhe von 1.052,84 Euro hinsichtlich der mit der Berufung weiter verfolgten Reparaturkosten verlangen. Denn es ist eine Haftung der Beklagten nach §§ 115 VVG, 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 PlfVAuslG, 7 Abs. 1 StVG gegeben.

a) Ein Geschädigter muss die Wiederherstellung des Zustandes, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, nicht dem Schädiger überlassen. Nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann er im Falle einer Sachbeschädigung die Wiederherstellung selbst übernehmen, indem er den für die Wiederherstellung notwendigen Geldbetrag verlangt. Ein solches Verlangen setzt dabei nicht voraus, dass der verlangte Geldbetrag auch für die Wiederherstellung eingesetzt wird. Der Geschädigte ist darin frei, ob er die Reparatur in der Vertragswerkstatt, in einer freien Werkstatt, in Eigenregie oder gar nicht durchführen lässt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 29. April 2003 - VI ZR 393/02 -, BGHZ 154, 395-400 Rdn. 7; Urteil vom 29. April 2003 - VI ZR 393/02 -, BGHZ 154, 395-400 Rdn. 9; Urteil vom 23. März 1976 - VI ZR 41/74 -, BGHZ 66, 239-250 Rdn. 11; Urteil vom 29. Oktober 1974 - VI ZR 42/73 -, BGHZ 63, 182-189 Rdn. 9;Urteil vom 11. März 2010 - IX ZR 104/08 -, juris Rdn. 28, std. Rspr.). Dies lässt sich auch der Regelung des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB entnehmen. Für die Feststellung des für die Wiederherstellung erforderlichen Betrages gilt insoweit eine subjektbezogene Schadensbetrachtung, die aber unter einem Wirtschaftlichkeitsgebot steht. Als erforderlich sind danach die Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten aufbringen würde (vgl. BGH, Urteil vom 07. Mai 1996 - VI ZR 138/95 -, BGHZ 132, 373-382 Rdn. 8; Urteil vom 1...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?