Leitsatz (amtlich)
1. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Schadensabrechnung auf Basis fiktiver Reparaturkosten, die voraussichtlich den Wiederbeschaffungswert um bis zu 30 Prozent übersteigen, nicht in Betracht kommt, ist auch bei finanzieller Unfähigkeit des Geschädigten jedenfalls dann nicht zu machen, wenn dieser durch sein Verhalten sein Integritätsinteresse nicht in ausreichender Weise bestätigt.
2. Es spricht gegen die Annahme eines "fühlbaren wirtschaftlichen Nachteils" als Voraussetzung für die Geltendmachung einer Nutzungsausfallentschädigung, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug mehrere Monate lang nicht in einen fahrtüchtigem Zustand versetzt hat und beachtliche Gründe, die dieses Verhalten erklären könnten, nicht vorliegen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 12 O 240/15) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 22. Juni 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 240/15 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich am 30. September 2014 in N.-M. ereignet hat. Der Kläger hatte sein Fahrzeug, einen im Jahre 2001 erstzugelassenen VW Golf IV mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX XX, ordnungsgemäß am Straßenrand geparkt. Gegen 1h33 fuhr das Fahrzeug des Beklagten zu 2), ein Mercedes-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XX XXX, das bei der Beklagten zu 1) pflichtversichert war, auf das Fahrzeug des Klägers auf. Die Beklagte zu 1) hatte ursprünglich eine Beteiligung des bei ihr versicherten Fahrzeugs an dem Unfall in Abrede gestellt, zuletzt hat sie die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig gestellt (Bl. 142 GA).
Der vom Kläger mit der Begutachtung des Fahrzeugs beauftragte Sachverständige C. B. ermittelte in seinem Gutachten vom 21. Oktober 2014 voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 2.861,32 Euro (netto) = 3.404,97 Euro (brutto), einen Wiederbeschaffungswert von 3.000,- Euro und einen Restwert in Höhe von 355,- Euro (jeweils steuerneutral). Als voraussichtliche Reparaturdauer werden in dem Gutachten 6 bis 8 Arbeitstage veranschlagt, die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung ist mit 35 Euro pro Tag angegeben. Für die Erstattung des Gutachtens wandte der Kläger Gutachterkosten in Höhe von 550,67 Euro auf.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 27. Oktober 2014 übermittelte der Kläger der Beklagten zu 1) das Gutachten unter Bezifferung seines Schadens auf der Basis des ermittelten Wiederbeschaffungsaufwandes in Höhe von 3.220,67 Euro. Die Beklagte zu 1) übermittelte dem Kläger mit Schreiben vom 10. November 2014 (Bl. 24 GA) ein "verbindliches Kaufangebot" einer Firma Automobile S. K. über einen Preis von 1.050,- Euro (Bl. 25 GA). Mit Schreiben vom 14. November 2014 (Bl. 112 GA) kündigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an, dass dieser sein Fahrzeug voraussichtlich reparieren werde. Mit weiterem Schreiben vom 25. November 2014 (Bl. 114 f. GA) teilte er der Beklagten zu 1) mit, dass der Kläger u.a. wegen eines laufenden Insolvenzverfahrens nicht in der Lage sei, die Reparaturkosten vorzufinanzieren und bat um Zahlung der Reparaturkosten unter Vorbehalt. Im Anschluss an eine vergebliche Vorführung des Fahrzeugs beim "TÜV" führte der Kläger am 28. Januar 2015 die Notreparatur durch.
Der Kläger hat mit seiner zunächst zum Amtsgericht in Neunkirchen eingereichten Klage ursprünglich auf Ersatz seines Fahrzeugschadens auf der Grundlage des fiktiv ermittelten Wiederbeschaffungsaufwandes in Höhe von 2.645,- Euro, Gutachterkosten sowie eine Kostenpauschale von 25,- Euro angetragen. Später hat er die Klage um angeblichen Nutzungsausfall für 120 Tage zu je 35,- Euro, insgesamt 4.200,- Euro, erweitert (Bl. 76 GA, zugestellt 16. Dezember 2015) und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Saarbrücken beantragt. Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2015 (zugestellt am 4. Januar 2016) hat der Kläger erklärt, den Schaden nunmehr auf Basis der fiktiven Netto-Reparaturkosten in Höhe von 2.861,32 Euro abrechnen zu wollen, und seine Klage nochmals um den entsprechenden Differenzbetrag erweitert.
Der Kläger, dem nach Durchführung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Beschluss vom 12. September 2011 - 60 IK 49/05 AG Saarbrücken - die
Restschuldbefreiung gem. § 300 InsO erteilt worden war (Bl. 126 GA), hat behauptet, er habe die Beklagte zu 1) u.a. mit Schreiben vom 6. Oktober 2014 darauf hingewiesen, dass er wirtschaftlich nicht in der Lage sei, eine Reparatur seines Fahrzeugs durchzuführen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt (Bl. 2, 44, 105 GA):
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.636,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. November 2014 aus 3.220,67 Euro, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.200,- Euro seit Rechtshängigkeit sowie Z...