Leitsatz (amtlich)

1. Rammt ein Linienbus, der auf der bevorrechtigten Straße den Bussonderstreifen befährt, einen von rechts eingebogenen Pkw, der verkehrsbedingt mit seinem Heck auf dem Sonderfahrstreifen hängen geblieben ist, und trifft den Busfahrer kein Verschulden, so kommt - mit Rücksicht auf die erhöhte Betriebsgefahr des Busses - eine Haftungsverteilung von ¾ zu ¼ zu Lasten des Pkw-Halters in Betracht.

2. Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden setzt einen "typischen" Auffahrunfall voraus, der nur dann vorliegt, wenn ein nachfolgendes Kfz auf das Heck eines in demselben Fahrstreifen befindlichen Kfz auffährt, wobei eine bloße Teilüberdeckung der Stoßflächen ausreicht, beide Fahrzeuge aber etwa parallele Längsachsen haben müssen.

3. Kommt es im Bereich einer Kreuzung zu einem Zusammenstoß zwischen zwei Kfz, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Vorfahrtverletzung des Wartepflichtigen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 25.11.2008; Aktenzeichen 24 O 387/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) wird das Urteil des LG Berlin vom 25.11.2008 - 24 O 387/06 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und in Ziff. 1) wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 552,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.4.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Berufung der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.

3. Die Berufung der Klägerin und der Drittwiderbeklagten zu 1) und zu 2) gegen die Beklagte zu 2) als Widerklägerin wird zurückgewiesen.

4. Von den Gerichtskosten haben die Klägerin 8,6 %, die Beklagte zu 2) 1,1 % und die Klägerin und die Drittwiderbeklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner 90,3 % zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin hat die Beklagte zu 2) 2,8 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) hat die Klägerin zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) haben die Klägerin zu 3,9 % und die Klägerin und die Drittwiderbeklagten zu 1) und zu 2) als Gesamtschuldner zu 94,9 % zu tragen.

Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten zu 2) wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Klägerin und den Drittwiderbeklagten zu 1) und zu 2) wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten zu 2) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2) vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Wegen des Parteivorbringens erster Instanz, der dort durchgeführten Beweisaufnahme und gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage festgestellt, dass die Klägerin (als Widerbeklagte) und die Drittwiderbeklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, der Beklagten zu 2) (als Widerklägerin) ihre Aufwendungen für den aufgrund des Schadensereignisses vom 15.9.2005 im Bus der Beklagten zu 2) mit dem polizeilichen Kennzeichen B. verletzten Fahrgast S.O., geb. 1.3.1950, nach Überschreitung des mit der Drittwiderbeklagten zu 2) vereinbarten Teilungsabkommenslimits von 5.000 EUR in voller Höhe zu erstatten. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Klägerin greift dieses Urteil mit ihrer Berufung wegen der darin enthaltenen Klageabweisung an. Ferner greifen die Klägerin und die Drittwiderbeklagten dieses Urteil mit einer weiteren Berufung wegen ihrer Verurteilung auf die Widerklage an. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus:

Das LG habe die Beweislast im Hinblick auf Klage- und Widerklage vermengt.

Zudem habe es auch die Beweise fehlerhaft gewürdigt, weil es bei der Abwägung den Zeugen E.-G. völlig außer Acht gelassen habe. Der Zeuge E.-G. habe ausgesagt, dass das klägerische Fahrzeug mindestens schon 20 Sekunden gestanden habe, als der Aufprall durch den Bus erfolgt sei.

Zweifelhaft sei auch, dass das LG von einem Anscheinsbeweis zu Lasten der Kläger-...

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