Leitsatz (amtlich)
Von der Passivierung des Rückzahlungsanspruchs eines Stillen darf - sofern es sich um einen mit eigenkapitalersetzendem Charakter handelt - abgesehen werden, wenn der Stille eine Rangrücktrittsvereinbarung getroffen hat.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 24.09.2008; Aktenzeichen 2 O 238/07) |
Tenor
Die Berufung gegen das am 24.9.2008 verkündete Urteil des LG Berlin - 2 O 238/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte verurteilt bleibt, an die Klägerin 90.607,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz per anno seit dem 3.6.2007 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leistet.
Gründe
I. Die Klägerin geht gegen den Beklagten, den früheren Alleingesellschafter und bis zum 22.10.2003 Geschäftsführer ... (fortan: Insolvenzschuldnerin), wegen Geschäftsführerhaftung vor.
Das LG Berlin hat der Klage mit Urteil vom 24.9.2008, auf das wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 ZPO verwiesen wird, stattgegeben. Zur Begründung führte es aus: In Höhe von 24.434,30 EUR sei die Klage nach § 812 BGB begründet. In dieser Höhe fehle es an einem vom Beklagten zu behauptenden Rechtsgrund. Im Übrigen sei die Klage nach § 64 Abs. 2 GmbHG begründet. Die vom Beklagten gewährten Darlehn seien eigenkapitalersetzend.
Hiergegen wendet sich der Beklagte. Seine Berufung gegen das ihm am 27.11.2008 zugestellte Urteil des LG Berlin ist beim KG am 22.12.2008 eingegangen. Der Beklagte hat seine Berufung nach Verlängerung bis zum 27.2.2009 mit am 27.2.2009 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Der Beklagte wiederholt im Wesentlichen bereits in erster Instanz geäußerte Rechtsansichten. Er meint, die Insolvenzschuldnerin sei wegen seiner Rangrücktrittserklärung vom 19.9.2002, mit der er wegen Darlehnsforderungen i.H.v. 1.021.831,75 EUR gegen die Insolvenzschuldnerin im Rang zurückgetreten ist (wegen des genauen Wortlauts wird auf die Anlage B 2 Bezug genommen) und der Umwandlung von ihm der Insolvenzschuldnerin gewährter Darlehn in eine stille Beteiligung i.H.v. 915.645,94 EUR zu keinem Zeitpunkt überschuldet gewesen. Ferner meint er, dass ihm das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a.F. zu Gute komme.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des LG Berlin vom 24.9.2008 - 2 O 238/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass Zahlung i.H.v. 90.607,60 EUR nebst Zinsen seit dem 3.6.2007 begehrt wird.
II. Die statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.
1. Der Beklagte ist nach dem hier noch anwendbaren (BGH v. 26.1.2009 - II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 = NJW 2009, 1277) Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Novellenregeln (§§ 32a, 32b GmbHG a.F.) und der Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbH a.F. analog) verpflichtet, an die Klägerin 66.173,30 EUR zurückzuzahlen.
a) Der Beklagte hat in der Krise der Insolvenzschuldnerin - die er, wie seine Rangrücktrittserklärung zeigt, erkannte - dieser gewährte Darlehn stehen lassen. Die Insolvenzschuldnerin war zum Zeitpunkt der zurückverlangten Zahlungen (2002 bis 2004) überschuldet. Legt ein Kläger - wie hier - für seine Behauptung, die Insolvenzschuldnerin sei überschuldet gewesen, eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er die Ansätze daraufhin zu überprüfen und zu erläutern, ob und ggf. in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind (BGH v. 27.4.2009 - II ZR 253/07, NZG 2009, 750). Dem ist die Klägerin unstreitig nachgekommen.
b) Es war daher Sache des Beklagten, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind (BGH v. 27.4.2009 - II ZR 253/07, NZG 2009, 750). Daran fehlt es. Der Beklagte verweist für das Gegenteil erfolglos auf seine Rangrücktrittserklärung vom 19.9.2002 (Anlage B 2). Selbst wenn man mit ihm annähme, dass diese die erforderliche "Tiefe" hat, wäre sie ungeeignet, eine positive Bilanz herzustellen: Von der Rangrücktrittserklärung waren nach dem Jahresabschluss 2002 nur 5.003,05 EUR umfasst, nach dem Jahresabschluss vom 2003 hingegen nur 4.332,73 EUR. Dem stehen Fehlbeträge in 2002 von 981.023,55 EUR, in 2003 von 287.433,80 EUR und in 2004 von 477.718,24 EUR entgegen.
Dem Beklagten kann auch nicht darin gefolgt werden, dass seine stille Beteiligung an der Insolvenzschuldnerin i.H.v. 915.645,94 EUR beim Überschuldungsstatus jeweils nicht zu passivieren ist. Wenn ein an einer GmbH beteiligter stiller Gesellschafter hinsichtlich seiner vermögensmäßig...