Entscheidungsstichwort (Thema)
Passivierung der gesplitteten Einlage im Überschuldungsstatus - MoMiG; Keine Rückwirkung des MoMiG auf vor dem 1.11.2008 erfolgte Rückzahlungen auf kapitalersetzende Gesellschafterdarlehen bei eröffnetem Insolvenzverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG in der ab 1.11.2008 geltenden Fassung gilt für vor dem 1.11.2008 erfolgte Rückzahlungen auf ein eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen jedenfalls dann nicht, wenn vor dem 1.11.2008 über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Vielmehr finden auf diese Altfälle die sog. Rechtsprechungsregeln weiterhin Anwendung.
2. Auch ein im Gesellschaftsvertrag neben der Hafteinlage vereinbartes Darlehen eines Gesellschafters ist im Überschuldungsstatus zu passivieren, sofern nicht ein qualifizierter Rangrücktritt vorliegt.
Normenkette
GmbHG §§ 30-31
Verfahrensgang
LG Aachen (Urteil vom 13.07.2007; Aktenzeichen 43 O 10/07) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 13.7.2007 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Aachen - 43 O 10/07 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 139.867,20 EUR festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der U. Unternehmensgruppe GmbH & Co. KG (U. KG) gegen die Beklagte als Erbin nach ihrem am 1.1.2008 verstorbenen Ehemann einen Anspruch auf Erstattung eigenkapitalersetzender Darlehensrückzahlungen geltend.
Der Ehemann der Beklagten gehörte der U. KG seit ihrer Gründung durch Gesellschaftsvertrag vom 22.1.2001 als einer von zehn Kommanditisten an. Einzige persönlich haftende Gesellschafterin war die U. Unternehmensgruppe GmbH Vermögensverwaltung (U. GmbH), als deren Geschäftsführer ebenfalls der Ehemann der Beklagten fungierte. § 3 des Gesellschaftsvertrages (Anl. 1 zum Gutachten Dipl.-Kfm. H. vom 14.11.2006), der überschrieben ist mit "Gesellschafter, Kapitalanteile, Einlagen, Haftsummen" enthält in Abs. 5 folgende Regelung:
"Neben den jeweiligen Haftungssummen gewähren jeder der nachbenannten Gesellschafter M. V., S. N., Dr. med. X. W. und K. Y. der Gesellschaft ab dem 31.1.2001 ein zinsloses Darlehen i.H.v. je 500.000 DM, welches nur zusammen mit der Stellung als Kommanditist gekündigt werden kann."
Die Kündigung durch den Gesellschafter ist nach § 13 des Gesellschaftsvertrages nur zum Ende eines Geschäftsjahres, frühestens jedoch zum 31.12.2010 zulässig.
Am 14.12.2001 schloss der Ehemann der Beklagten mit der Volksbank Z. eG einen Darlehensvertrag (Anl. 7 zum Gutachten H.) über einen Kredit von 500.000 DM (255.645,94 EUR), wobei als Darlehensnehmer der Ehemann der Beklagten geführt wurde. Diese Darlehensvaluta wurde zum 21.12.2001 an die U. KG weitergeleitet. Die U. KG zahlte in den Jahren 2002 bis 2004 monatlich 3.399,07 EUR, insgesamt 122.367,24 EUR, auf ein Konto des Ehemanns der Beklagten bei der Volksbank zurück. Zusätzlich gingen auf einem weiteren Konto des Ehemanns der Beklagten Zahlungen i.H.v. je 5.000 EUR am 11.11.2002 und 12.12.2002 sowie 7.500 EUR am 25.9.2003 ein. Durch Beschluss des AG Aachen vom 14.12.2005 (Anlage K 1) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der U. KG eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger begehrt - gestützt auf §§ 30, 31 GmbHG analog - Erstattung folgender Beträge:
Rückzahlungen auf das Darlehen:
2002 40.789,06 EUR
2003 40.789,08 EUR
2004 40.789,06 EUR
Summe 122.367,20 EUR
Entnahmen
11.11.2002 5.000 EUR
12.12.2002 5.000 EUR
15.9.2003 7.500 EUR
Summe 17.500 EUR
Klageforderung 139.867,20 EUR.
Der Kläger hat beantragt, den Ehemann der Beklagten zu verurteilen, an ihn 139.867,22 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.12.2006 zu zahlen.
Der Ehemann der Beklagten hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, dass die Gesellschaft überschuldet gewesen sei. Die im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Darlehen der übrigen Kommanditisten seien nicht als Verbindlichkeiten in den Überschuldungsstatus aufzunehmen. Zudem sei der Gesellschaft das Darlehen nicht durch ihn, sondern durch die Volksbank Z. gewährt worden.
Das LG, auf dessen Urteil wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Ehemanns der Beklagten, die von der Beklagten als Erbin weitergeführt wird.
Die Beklagte ist der Ansicht, es handle sich nicht um ein Gesellschafterdarlehen. Vielmehr seien die KG, die GmbH und deren Geschäftsführung stets von einer unmittelbaren Verbindlichkeit der U. KG ggü. der Volksbank ausgegangen, so auch in Buchführung und Bilanz. ...