Leitsatz (amtlich)
1. Erforderliche Feststellungen für eine Verurteilung wegen versuchter Nötigung bei Drohung mit „Konsequenzen von höherer Stelle“ gegenüber einem Polizeibeamten.
2. Die Drohung mit einer „gewöhnlichen“ Dienstaufsichtsbeschwerde ist kein empfindliches Übel im Sinne des § 240 StGB.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 30.10.2020; Aktenzeichen (562) 277 AR 35/20 Ns (18/20)) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Oktober 2020 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 130 Euro verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil verworfen mit der Maßgabe, dass die Tagessatzhöhe auf 100 Euro herabgesetzt worden ist. Dem Angeklagten ist nachgelassen worden, die Geldstrafe in monatlichen Raten zu je 300 Euro zu zahlen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, die auf die Sachrüge gestützt ist, bleibt ohne Erfolg.
I.
1. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
"Der Angeklagte parkte am 8. Mai 2018 gegen 22:50 Uhr seinen Pkw xxx mit dem amtlichen Kennzeichen xxx mit eingeschaltetem Licht verkehrsordnungswidrig an der Straßenecke Bxxx/Wxxx in Bxxx, wobei er seinen Pkw unerlaubt schräg in Richtung des Gehweges in einem schraffierten Bereich und zugleich auf dem markierten Fahrradweg abstellte. Als der Zeuge POK Pxxx gegen 22:51 Uhr damit befasst war, wegen dieser Verkehrsordnungswidrigkeit eine Anzeige aufzunehmen, erschien der Angeklagte von der anderen Straßenseite und äußerte: "Sie sind ja ein ganz schlauer Oberkommissar". Während der Zeuge Pxxx die Personalien des Angeklagten notierte, äußerte der Angeklagte wahrheitswidrig, dass er den Leiter des zuständigen Abschnittes xxx Herrn Bxxx kenne und der Zeuge Pxxx von diesem hören werde. Er wollte damit den Zeugen Pxxx einschüchtern und erreichen, dass dieser aus Sorge vor persönlichen Nachteilen, die aus dieser Bekanntschaft resultieren könnten, die Anzeige gegen ihn unterließ. Sein Ziel weiterverfolgend rief der Angeklagte gegen 23:25 Uhr auf der Wache des Abschnitts 26 an und äußerte gegenüber PHK Sxxx, der als Wachhabender den Anruf entgegennahm, sollte "der übereifrige POK Pxxx" die Anzeige wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit schreiben, hätte dies für POK Pxxx persönliche Konsequenzen von höherer Stelle. Er forderte POK (gemeint wohl PHK, Anm. d. Senats) Sxxx auf, entsprechend auf seinen Kollegen einzuwirken, was dieser strikt ablehnte. Er teilte jedoch POK Pxxx den Gesprächsinhalt mit. Um 23:35 Uhr schickte der Angeklagte dem Zeugen Pxxx schließlich eine SMS auf das Diensthandy (EWA xxx) mit folgendem Inhalt: "Lieber Sxxx Pxxx, es wäre sehr freundlich, wenn Sie der Verhältnismäßigkeit bei der Aufnahme von VK-Owis an Radwegen in der Bxxx eine Chance geben würden! Mit freundlichen Grüßen Dxxx Sxxx". Hierbei benutzte der Angeklagte bewusst die persönliche Anrede und die Telefonnummer des Diensthandys, mithin Interna, um den Anschein zu verstärken, dass er tatsächlich den Dienststellenleiter kannte. Dies gelang ihm auch. Da der Zeuge Pxxx sein berufliches Fortkommen wegen der behaupteten Bekanntschaft des Angeklagten mit dem Dienststellenleiter nicht gefährden wollte, erstattete er die Anzeige erst, nachdem der Zeuge Bxxx ihm erklärt hatte, den Angeklagten nicht zu kennen."
Ausweislich der weiteren Urteilsgründe hat der Angeklagte, ein ehemaliger Polizeibeamter, eingeräumt, seinen Pkw verkehrsordnungswidrig abgestellt zu haben. Er sei jedoch davon ausgegangen, dass jeder aufnehmende Beamte über einen Ermessensspielraum verfüge und in dem vorliegenden Fall der Zeuge POK Pxxx diesen zu seinen Gunsten ausüben und von einer Anzeige hätte absehen können. Tatsächlich habe man sich aber auf dem Abschnitt xxx gegen ihn verschworen und es habe die Anweisung gegeben, bei ihm gezielt auf Verkehrsverstöße zu achten und diese immer zu ahnden. Der Angeklagte hat auch den Anruf auf dem Abschnitt eingeräumt, sich allerdings dahin eingelassen, dass er sich über POK Pxxx habe beschweren wollen, weil die Anzeigenaufnahme unverhältnismäßig gewesen sei. Auch die Übermittlung der SMS hat er nicht in Abrede gestellt.
2. Der Angeklagte hat durch seinen Verteidiger mit einem am 5. November 2020 eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und diese nach Zustellung des Urteils am 3. Dezember 2020 mit einem am 4. Januar 2021 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts. Die Kammer habe keine ausreichenden Feststellungen zum Tatbestand des § 240 StGB getroffen. Insbesondere fehle es an Feststellungen zu einer Drohung mit einem empfindlichen Übel. Die Ankündigung, eine Diensthandlung gegenüber einem Vorgesetzten reklamieren zu wollen, stelle ein solches nicht dar.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil aufzu...