Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer Verwirkung von Mietzinsansprüchen (vorliegend bejaht).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 26.03.2013; Aktenzeichen 25 O 706/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.3.2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 25 des LG Berlin teilweise abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 137,60 EUR nebst 8 % Zinsen auf jeweils 68,80 EUR seit dem 6.8.2011 und seit dem 6.9.2011 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz und des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Gründe

Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Soweit die Berufung Erfolg hat, hat der Beklagte den geltend gemachten Anspruch anerkannt. Die Verurteilung ist insoweit gem. § 307 ZPO entsprechend dem Anerkenntnis des Beklagten erfolgt.

Dem über den anerkannten Betrag hinausgehenden geltend gemachten Mietzinsanspruch steht - wie das LG in der angefochtenen Entscheidung in jeder Hinsicht zutreffend ausgeführt hat - gem. § 242 BGB der Einwand der Verwirkung entgegen.

Die Verwirkung einer Forderung setzt voraus, dass zum Ablauf einer gewissen Zeit (Zeitmoment) besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH NJW 2003, 727; BGH WuM 2004,198).

Hinsichtlich der zeitlichen Voraussetzungen der Verwirkung gilt allgemein der Grundsatz, dass umso seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist. Kurze Verjährungsfristen rechtfertigen, wenn überhaupt nur ausnahmsweise die Bejahung der Verwirkung (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 BGB Rz. 92,93; BGHZ 84,280; NJW-RR 1989, 818 zu § 196 BGB a.F.; BGH NJW 1992, 1755 zu § 852 BGB a.F.; KG vom 19.12.2005 - 8 U 163/05, OLGR 2006,286; KG, 12. ZS GE 2007,591 = NZM 2008,129). Die Regelverjährungsfrist muss dem Gläubiger grundsätzlich ungekürzt zur Verfügung stehen. Ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahekommt, mindert die erforderliche Zeitdauer, so etwa die Nichtgeltendmachung des Anspruchs bei einer Abrechnung oder bei Verhandlungen (Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 242 BGB Rz. 93; BGH WM 79,647). Die hier streitgegenständlichen Mietzinsansprüche verjähren gem. § 195 BGB binnen drei Jahren, so dass eine Verwirkung grundsätzlich nur aus ganz besonderen Gründen angenommen werden kann. Diese besonderen Gründe liegen hier vor.

Das Zeitmoment ist vorliegend erfüllt.

Der Beklagte befand sich unstreitig am 15.7.2006 mit 3 Monatsmieten, nämlich für Mai bis Juli 2006 in Rückstand. Erst mit Schreiben vom 7.6.2011, also 5 Jahre später, hat der Kläger sich auf Punkt 3 des Nachtrages Nr. 1 zum Mietvertrag berufen und geltend gemacht, dass die Vereinbarung über die Aussetzung der Staffel aufgrund des Verzuges im Jahr 2006 hinfällig geworden sei.

Auch das für die Annahme der Verwirkung erforderliche Umstandsmoment liegt vor.

Das Umstandsmoment ist gegeben, wenn neben dem Zeitmoment besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rechtsprechung, vgl. BGH NJW 2003, 824; BGH, Urt. v. 26.2.2003 - XII ZR 66/01, NJW-RR 2003, 727; BGH, Urt. v. 4.2.2004 - VIII ZR 171/03, WuM 2004,198). Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht nämlich in der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass eine Forderung verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden, und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hat (BGH, Urt. v. 26.2.2003 - XII ZR 66/01 -, a.a.O., Tz. 15; KG, Grundeigentum 2012, 545).

Hier hat der Kläger zum einen mit Schreiben vom 15.7.2006 die ausstehenden Mieten angemahnt, ohne sich auf den Wegfall der Vereinbarung über die Aussetzung der Staffel zu berufen. Zum anderen hat er den Beklagten im Jahr 2006 aufgefordert, die Leistungen zu erbringen, zu denen dieser sich in dem Nachtrag Nr. 1 "im Gegenzug für das Aussetzen der Mietstaffel" verpflichtet hat, obgleich zu diesem Zeitpunkt bereits die Voraussetzungen für einen Wegfall der Aussetzung vorgelegen hätten.

Das LG hat hierzu in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Zeugin H. bestätigt habe, dass der Kläger sie und den Beklagten mehrfach im Jahre 2006, u.a. auch im Juli und September auf die noch ausstehenden Umbauarbeiten angesprochen und Druck gemacht habe, dass diese ihren Abschluss finden sollten.

Diese Feststellungen hat auch der Senat bei der Beurteilung des Falles zugrunde zu legen. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidung...

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