Leitsatz (amtlich)

1. Die bei der Rückabwicklung eines Kfz-Kaufs nach §§ 812 ff. BGB durchzuführende Saldierung der beiderseitigen Bereicherungsposten hat spätestens auf den Tag der letzten mündlichen Verhandlung zu erfolgen. Ein Urteil, das nicht einen Saldobetrag ausweist, sondern den Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises "abzgl." eines vom Käufer herauszugebenden, nach einem Betrag von ... EUR je gefahrene 1.000 km auf den Zeitpunkt der Rückgabe des Fahrzeugs erst noch zu berechnenden Nutzungswerts verpflichtet, ist mangels Bestimmtheit nicht vollstreckbar.

2. Die Arglistanfechtung des Käufers erfasst nicht regelmäßig auch die Übereignung des Kfz an ihn, so dass mangels eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses Verwendungen auf das Kfz ihm nicht nach §§ 994 ff. BGB zu ersetzen sind.

3. Verwendungen des Käufers auf das Fahrzeug, die gewöhnliche Erhaltungskosten darstellen, hat er im Zuge der Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB auch dann selbst zu tragen, wenn er bei ihrer Vornahme den Rückabwicklungsgrund nicht kannte. Sie führen in Bezug auf die vom Käufer herauszugebenden Nutzungen (§§ 812, 818 Abs. 1, 2 BGB) nicht zu einer Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB). Denn mit der Nutzungsherausgabe im Umfang des "Wertverzehrs" wird dem Käufer die wirtschaftliche Stellung eines Eigentümers nicht genommen, und mit einer Anrechnung gewöhnlicher Erhaltungskosten, wie sie jeder Eigentümer tragen muss, würde er im Zuge der Rückabwicklung nach §§ 812 ff. BGB gegenüber einem nicht anfechtenden Käufer einen ungerechtfertigten Vorteil erlangen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 20.12.2005; Aktenzeichen 3 O 52/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20.12.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des LG Berlin - 3 O 52/05 - teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.078,24 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.12.2006 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkw VW Golf IV, Fahrzeug-Ident.-Nr. WVWZZZ1JZXB013795.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des genannten Fahrzeugs in Verzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagte 6/7 und die Klägerin 1/7 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Berufung der Beklagten richtet sich gegen das am 20.12.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird. Zu ergänzen ist, dass zweitinstanzlich unstreitig geworden ist, dass die Klägerin den Kaufpreis am 18.10.2001 gezahlt hat.

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung vor:

Das LG hätte nicht im frühen ersten Termin entscheiden dürfen, sondern der Beklagten gem. § 275 Abs. 3 ZPO eine Klageerwiderungsfrist setzen und Haupttermin anberaumen müssen. Mangels Klageerwiderungsfrist sei ihr erstinstanzlich jegliche Rechtsverteidigung abgeschnitten worden. Der Vortrag im Prozesskostenhilfe-Verfahren sei für den folgenden Rechtsstreit unbeachtlich. Die Sache sei daher wegen eines gravierenden Verfahrensverstoßes (hilfsweise) zurückzuverweisen.

Die Zurückweisung des Bestreitens der Beklagten im Termin am 29.11.2005 in Bezug auf die Aktivlegitimation der Klägerin für einen Verwendungsersatzanspruch über 1.041,76 EUR nach §§ 296 Abs. 2, 282 Abs. 1 ZPO sei fehlerhaft erfolgt.

Arglist der Beklagten in Bezug auf einen Unfallschaden habe das LG zu Unrecht angenommen. Der tatsächliche Umfang des angeblich gravierenden und bagatellisierten Schadens sei nie festgestellt oder auch nur näher aufgeklärt worden. Da die Beklagte erstinstanzlich stets behauptet hatte, dass die vermeintliche Reparaturrechnung der Fa. G. (K 2) "fingiert" sei, hätte das LG die Klägerin zur näheren Darlegung der Reparaturarbeiten und zu einem Beweisantritt auffordern müssen. Mangels eigener Kenntnis der Beklagten "über Art und Umfang eines Vorschadens" komme Arglist nicht in Betracht. Das LG habe versäumt, über die von der Klägerin behauptete Aufklärung der Beklagten durch den Vorbesitzer Dr. N. Beweis zu erheben.

Die Beklagte trägt erstmals in der Berufungsbegründung (S. 8) vor, dass sie im Zuge des (auf Grund eines Rahmenvertrags erfolgten) Ankaufs des Fahrzeugs von der V. GmbH bei einer Untersuchung keine reparierten Unfallschäden habe feststellen können. Bei Ankauf habe die Leasinggeberin ihr auch keine merkantile Wertminderung gutgebracht. Der Unfall sei "tatsächlich nie eingetreten".

Soweit erstinstanzlich von einem Frontschaden gesprochen worden sei, habe dies auf einer Fehlvorstellung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten beruht. Der Hinweis des (erstinstanzlich vernommenen) Zeugen W. auf eine erneuerte Stoßfängerverkleidung habe sich auf einen geplatzten hinteren Stoßfänger bezogen, dessen Beschädigung bei Ankauf des Pkw festgestellt worden und sodann behoben worden sei. Die Klägerin müsse Front- un...

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