Leitsatz (amtlich)
Kommt es in einer über lange Zeit in bestimmter Art und Weise nach außen inszenierten und kommerzialisierten Paarbeziehung zu einer gewalttätigen Eskalation in der Öffentlichkeit, kann auch derjenige prominente Partner, der die Kontrolle nicht verloren hat, die Grenzen seines Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit nicht mehr selbst bestimmen; er muss sich das Verhalten des anderen zurechnen lassen. Die berechtigte Erwartung, nicht in den Medien abgebildet zu werden, kann die prominente Antragstellerin in dieser Situation nicht haben.
Eine über den Informationsgehalt hinausgehende demütigende oder entwürdigende Darstellung, die der Betroffene nicht hinnehmen muss (vgl. Senat, Urt. v. 14.7.2006 - 9 U 228/05 - juris Tz. 16 ff.), ist hier nach dem Gesamtkontext der Berichterstattung nicht gegeben.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 16.07.2009; Aktenzeichen 27 O 604/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des LG Berlin vom 16.7.2009 (Az. 27 O 604/09) abgeändert und wie folgt gefasst:
Die einstweilige Verfügung vom 9.6.2009 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Schauspielerin. Anfang des Jahres 2009 trennte sie sich von ihrem langjährigen Lebensgefährten, dem ehemaligen Manager des Fußballvereins S., R. A. Die Antragsgegnerin verlegt u.a. die B.-Zeitung und die B. a. S. Am 3.6.2009 gegen 21:00 Uhr kam es in der K. straße in K. auf S. zu einer - auch - handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Herrn A. und der Antragstellerin, in deren Verlauf ein Zeuge die Polizei um Hilfe anrief, woraufhin eine Streifenwagenbesetzung vor Ort erschien.
Die Antragsgegnerin berichtete über diesen Vorfall in der Ausgabe der B.-Zeitung vom 5.6.2009 auf der Titelseite unter der Überschrift "Prügelei auf S. " und der S. 14 mit der Schlagzeile "Sie küssen und sie schlagen sich". Im Zusammenhang mit dieser Berichterstattung veröffentlichte sie u.a. eine Serie von insgesamt neun Fotos der Auseinandersetzung mit Bildunterschriften, wie: "Hier ist schon dicke Luft zwischen R. A. und S. T. Plötzlich kommt es zum heftigen Streit ... er fasst sie am Arm ... er nimmt sie in den Schwitzkasten. S. T. weint ... er fasst ihr ins Gesicht ... drückt sie über eine kleine Mauer in ein Blumenbeet. S. T. wehrt sich, tritt A. in den Unterleib. Erst als die Polizei kommt ist Ruhe". Die Fotoserie über die Auseinandersetzung hatte ein für B. H. tätiger Fotoredakteur vor Ort gefertigt. Am 6.6.2009 veröffentlichte die Antragsgegnerin einen weiteren Bericht auf dem Titel und S. 13 und bebilderte diesen u.a. mit zwei der zuvor genannten Fotos; die Bildunterschriften wurden sinngemäß wiederholt. In der B. a. S. vom 7.6.2009 setzte die Antragsgegnerin die Berichterstattung auf dem Titel und den Seiten 30-32 fort. Der Artikel war mit fünf der am 3.6.2009 gefertigten Fotos bebildert.
Die Antragstellerin hat am 9.6.2009 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung gesetzlicher Ordnungsmittel untersagt worden ist, die durch die jeweiligen Bildunterschriften näher bezeichneten neun Fotos erneut - wie geschehen - zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das LG die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 16.7.2009 bestätigt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Sämtliche Fotos illustrierten einen Beitrag, der ausschließlich unterhaltenden Charakter und keinerlei Debatte mit Sachgehalt zum Inhalt habe. Sie dienten ausschließlich der Befriedigung von Neugier über das Privatleben der Antragstellerin und der Art ihres Verhältnisses zu ihrem ehemaligen Lebensgefährten. Eine Veröffentlichung von Bildnissen, auf denen jemand - wie die Antragstellerin - in erniedrigender Pose als unterlegenes Opfer eines tätlichen Angriffs dargestellt werde, sei unzulässig. Es handele sich zudem um eine private Auseinandersetzung. Die Antragstellerin habe in der Situation die berechtigte Erwartung haben dürfen, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Zu etwaigen körperlichen Auseinandersetzungen in ihrer Beziehung mit Herrn A. habe sich die Antragstellerin zuvor nie geäußert.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Zur Begründung macht sie geltend: Die generelle Untersagung durch das LG, die streitgegenständlichen Bildaufnahmen zu veröffentlichen, sei mit der Rechtsprechung des BGH nicht vereinbar. Die Antragstellerin könne sich aber auch nicht gegen die Veröffentlichung der Fotos im konkreten Berichtszusammenhang wenden. Die Presse habe ein legitimes Berichtsinteresse, wenn ein Prominentenpaar, das in der Vergangenheit ganz bewusst die ruppige Form seines Beziehungslebens kultiviert und kommerzialisiert habe, sich in alle...