Leitsatz (amtlich)

Sind der Verleger des Druckerzeugnisses und der Onlineportal-Betreiber eigenständige juristische Personen, handelt es sich bei gleichlautenden anwaltlichen Mahnschreiben wegen der identischen Wortlautberichterstattung in der Print- und der online-Veröffentlichung gebührenrechtlich nicht um dieselbe Angelegenheit. Wegen der verschiedenen Rechtspersönlichkeit kann die Abmahnung ggü. einem Schuldner ein eigenes rechtliches Schicksal haben, das sich ggü. dem gegen den anderen Störer geltend gemachten Unterlassungsanspruch unterscheidet.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.01.2009; Aktenzeichen 27 O 984/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen VI ZR 127/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Berlin vom 22.1.2009 - 27 O 984/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Soweit die Beklagte zum Tenor Ziff. 1. des Urteils des LG die Berufung zurückgenommen hat, ist sie des Rechtsmittels verlustig.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beklagte betreibt die Internetseite www.b.de. Dort veröffentlichte sie am 5.8.2008 einen Artikel unter der Überschrift "J.-Villa für 1,6 Mio. verkauft" (Anlage K 1). Der textidentische Artikel war am selben Tag in der von der A. S. AG verlegten "B. "-Zeitung erschienen. Autor des Artikels war der bei der A. S. AG angestellte Redakteur H. K. Die Klägerin war Eigentümerin der J.-Villa.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 7.8.2008 ließ die Klägerin die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung von der Beklagten (Anlage K 2) verlangen. Zuvor hatte sie mit Anwaltsschreiben vom 6.8.2008 von der A. S. AG (Anlage K 11) und dem verantwortlichen Redakteur (vgl. Anlage B 2) die Abgabe strafbewehrter Unterlassungsverpflichtungserklärungen begehrt. Die A. S. AG gab mit Schreiben vom 11.8.2008 zugleich für die Beklagte und den Redakteur K. die geforderte Unterlassungserklärung ab, in der sie sich ggü. der Klägerin verpflichtete, bei Meidung einer für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung zu zahlenden Vertragsstrafe, u.a. die wörtliche oder sinngemäße Äußerung "J.-Villa für 1,6 Mio. verkauft", künftig zu unterlassen (Anlage K 3). Diese Unterlassungserklärung nahm die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 11.8.2008 ggü. der Beklagten an und verlangte zugleich die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs i.H.v. 1.023,16 EUR bei einem Gegenstandswert von 20.000 EUR bis zum 25.8.2008 (Anlage K 4). Zugleich verlangte sie mit weiteren Schreiben die Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die jeweilige Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von der A. S. AG i.H.v. 1.419,19 EUR bei einem Gegenstandswert von 40.000 EUR und von dem Redakteur K. i.H.v. 1.196,43 EUR bei einem Gegenstandswert von 30.000 EUR.

Nachdem das LG die Beklagte zu den Rechtsanwaltskosten durch Anerkenntnisurteil vom 30.12.2008 zur Zahlung von 444,29 EUR verurteilt hat, hat die Klägerin noch die Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes der Beklagten gegen die Unterlassungserklärung sowie die Freistellung von vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. weiteren 578,87 EUR begehrt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Schlussurteils vom 22.1.2009 Bezug genommen.

Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Beklagte hat mit der Berufung beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG, die Klage abzuweisen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 19.3.2010 hat die Beklagte die Berufung hinsichtlich des Tenors zu Ziff. 1. des landgerichtlichen Urteils, worin sie zur Zahlung einer Vertragsstrafe an die Klägerin verurteilt worden ist, zurückgenommen.

Hinsichtlich ihrer Verurteilung zur Freistellung der Klägerin von weiteren außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 578,87 EUR verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, der Freistellungsanspruch der Klägerin sei durch ihr Anerkenntnis i.H.v. 444,29 EUR erfüllt. Gleichlautende Abmahnungen an verschiedene Schuldner für identische Artikel der Print- und der online-Veröffentlichung seien gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit. Zulässig sei in diesen Fällen allein die Geltendmachung einer 1,3 Geschäftsgebühr nach dem addierten Gesamtstreitwert. Im Streitfall beliefen sich die Gebühren der Rechtsanwälte der Klägerin für die außergerichtliche Geltendmachung der Unterlassungsansprüche bei einem Gesamtstreitwert von 90.000 EUR auf 1.999,32 EUR; mithin auf die Beklagte anteilige 2/9, also 444,29 EU...

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