Leitsatz (amtlich)
1. Die Befugnis des Testamentsvollstreckers zur Inbesitznahme der Nachlassgegenstände gem. § 2205 S. 2 BGB begründet keinen von der materiellen Rechtslage losgelösten Herausgabeanspruch. Da der Testamentsvollstrecker das Recht des Erben geltend macht, muss er sich die Einwendungen entgegen halten lassen, die dem Erben gegenüber bestehen würden (vgl. RGZ 138, 134).
2. Ein Anspruch der Mitglieder einer Adelsfamilie auf Versorgungsleistungen (hier: Wohnsitzgewährung) kann sich nach der gesetzlichen Abschaffung des Rechtsinstituts des Familienfideikommisses (Hausvermögens) aus einem Vertrag zugunsten Dritter ergeben, den der vormalige Inhaber des Hausvermögens mit seinem gewillkürten Vermögensnachfolger geschlossen hat.
Die aus diesem Vertrag folgende Verbindlichkeit des Vermögensnachfolgers geht gem. §§ 1922, 1967 BGB auf seinen Erben über. Einem Versorgungsanspruch gegen den Nachlass steht es nicht entgegen, dass die Anspruchsvoraussetzungen erst nach dem Erbfall eingetreten sind.
Da der Anspruch auf einer vom Erblasser lebzeitig eingegangenen - bereits ihn verpflichtenden - Verbindlichkeit beruht, ist es ohne Bedeutung, dass für letztwillige Begünstigungen Dritter (Auflage; Vermächtnis) einschränkende Voraussetzungen gelten würden. Die Annahme eines Vertrags zugunsten Dritter führt nicht zu einer unzulässigen Umgehung des Erbrechts.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 03.06.2009; Aktenzeichen 33 O 295/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 3.6.2009 verkündete Urteil der Zivilkammer 33 des LG Berlin - 33 O 295/08 - teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, das Grundstück K. in ... Berlin, eingetragen im Grundbuch von Berlin-... des AG Charlottenburg, Band ..., Blatt ..., Größe 2.850 qm, mit dem darauf befindlichen Gebäude sowie sämtlichen zum Grundstück und Gebäude gehörenden Schlüssel an die Kläger herauszugeben,
Zug um Zug gegen Überlassung einer von den Klägern auszuwählenden der folgenden Wohnungen:
- A., Berlin
- Ka., Potsdam
- H., Berlin
- D., Berlin.
Im Umfang dieses Anspruchs ist die Klage des Klägers zu 1) in der Hauptsache erledigt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens vor dem BGH - IV ZR 232/09 - werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird, soweit die Räumungsklage mit dem Hauptantrag abgewiesen worden ist, zugelassen.
Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 31.1.2013 gewährt.
Gründe
A. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch (noch) der Kläger zu 2 und 3 auf Herausgabe des Objekts K. in Berlin, den sie als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 20.7.1951 verstorbenen ehemaligen Kronprinzen Wilhelm Prinz von Preußen (Erblasser), dem ältesten Sohn des 1941 verstorbenen ehemaligen deutschen Kaiser Wilhelm II, geltend machen. Die Beklagte ist die dritte Ehefrau von F., dem ältesten Sohn des am 25.9.1994 verstorbenen Louis Ferdinand Prinz von Preußen, der wiederum ein Sohn des Erblassers war. Sie bewohnt das streitgegenständliche Hausgrundstück zusammen mit ihrem Ehemann, nach ihrem Vortrag seit 19..
Die Beklagte ist mit dem am 3.6.2009 verkündeten Urteil des LG, auf dessen Tatbestand Bezug genommen wird, zur Herausgabe an die Kläger zu 2 und 3 verurteilt worden. In Bezug auf den Kläger zu 1 ist die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt worden.
Der Senat hat auf die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 23.11.2009 die Klage mangels Prozessführungsbefugnis der Kläger abgewiesen. Auf die zugelassene Revision der Kläger hat der BGH mit Urteil vom 6.4.2011 (IV ZR 232/09, BGHZ 189, 120 = NJW 2011, 1733) das Urteil des Senats vom 23.11.2009 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an ihn zurückverwiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil vom 23.11.2009 und im Revisionsurteil vom 6.4.2011 wird ebenfalls Bezug genommen.
Die tatsächlichen Feststellungen werden für das Verfahren nach der Zurückverweisung wie folgt ergänzt:
(Auch) die Bestimmung des Klägers zu 3 zum Ersatztestamentsvollstrecker durch den Präsidenten des BGH vom 26.11.2008 ist notariell beglaubigt worden (s. Anlage K 40).
Das durch den vormals regierenden deutschen Kaiser Wilhelm II. als Chef des Königlich Preußischen Brandenburgischen Hauses mit Zustimmung sämtlicher volljähriger Prinzen im Jahr 1920 erlassene Hausgesetz (im Folgenden: Hausgesetz 1920) enthält u.a. folgende Bestimmungen:
Art. 2
Das Hausvermögen wird mit Wirkung vom 31.3.1923 aufgelöst.
Mit diesem Zeitpunkt erlischt die auf der Hausverfassung beruhende fidei- kommissarische Bindung des Vermögens. Die sämtlichen Bestandteile des bisherigen Hausvermögens sind mit Wirkung vom 31.3.1923 ab nicht gebundenes Allodialvermögen ...