Entscheidungsstichwort (Thema)

Schweigen eines durch einen Kontrahierungszwang Verpflichteten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Öffentlich-rechtliche Vorschriften führen nicht dazu, dass zwischen dem Begünstigten und dem Verpflichteten eines Anschluss- und Benutzungszwanges (Kontrahierungszwang) bereits kraft Gesetzes ein Vertrag entsteht. Auch dann, wenn ein Kontrahierungszwang besteht, muss der Vertragswillige der Gegenseite ein annahmefähiges Angebot unterbreiten, das diese annehmen muss.

2. Im bloßen Schweigen eines Angebotsempfängers kann grundsätzlich keine Annahme erblickt werden. Auch das Schweigen eines durch einen Kontrahierungszwang Verpflichteten reicht für das Zustandekommen eines Vertrages - soweit nicht etwas anderes angeordnet ist - nicht aus.

3. Die Inanspruchnahme einer Leistung führt nur dann zu einem Vertragsschluss, wenn das entsprechende Verhalten nach seinem objektiven Erklärungswert als Annahme zu werten ist.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.03.2007; Aktenzeichen 9 O 337/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22.3.2007 verkündete Urteil des LG Berlin - 9 O 337/06 - abgeändert:

Die Klage wird vollen Umfangs abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Frage, ob der Beklagte der Klägerin für die Entsorgung von Wasser für das Grundstück 12487 Berlin, aus Vertrag ein Entgelt schuldet. Auf die tatsächlichen Feststellungen hierzu im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Die Feststellungen werden wie folgt ergänzt:

Die Klägerin schloss am 28.9.1992 mit den Eheleuten W handelnd unter "Wäscherei und Wäscheverleih W. für das Grundstück 12487 Berlin einen Wasserlieferungsvertrag ab (wegen des Inhalts dieses Vertrages wird auf die als Anlage K 3 überreichte Kopie verwiesen). Auf Grundlage des Vertrages versorgte die Klägerin das Grundstück seitdem mit Trinkwasser. Außerdem entsorgte die Klägerin seit Anfang der 90iger Jahre des letzten Jahrhunderts auf dem Grundstück anfallendes Schmutzwasser und verlangte und erhielt dafür von den Eheleuten D später von der D GmbH, die die Wäscherei 1999 übernahm, bis 2003 ein Entgelt.

Nach Vortrag der Klägerin blieb die D GmbH für die Schmutzwasserversorgung zwischen 24.9.2003 bis 30.11.2005 zwei Rechnungen i.H.v. insgesamt 6.833,48 EUR schuldig. Für diesen Betrag verlangte die Klägerin erstmalig auch vom Beklagten als Grundstückseigentümer einen Ausgleich. Der Beklagte war jedenfalls vom 24.1.2001 bis zum 30.11.2005 Eigentümer des Grundstücks 12487 Berlin. Ob die D GmbH in diesem Zeitraum Pächterin oder Mieterin des Beklagten und ob sie Eigentümerin des auf dem Grundstück erbauten Gebäudes war, ist streitig.

Durch das dem Beklagten am 26.3.2007 zugestellte Urteil hat das LG den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 6.833,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 15.9.2006 zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es dem Beklagten auferlegt. Das LG Berlin hat im Wesentlichen erkannt, dass zwischen den Parteien durch Kontrahierungszwang ein Abwasserentsorgungsvertrag zustande gekommen sei. Ein ggf. zwischen der Klägerin und der D GmbH geschlossener Vertrag sowie die Zahlungen der D GmbH für die Abwasserentsorgung stünden dem nicht entgegen. Der Beklagte könne sich nicht auf § 242 BGB oder eine Verwirkung berufen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte. Seine Berufung ist am 17.4.2007 eingegangen. Nachdem das Gericht die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich dem 26.6.2007 verlängert hatte, begründete der Beklagte die Berufung mit am 25.6.2007 per Fax eingegangenem Schriftsatz. Mit der Berufung vertiefen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Beklagte beantragt unter Abänderung des am 22.3.2007 verkündeten Urteils des LG Berlin - 9 O 337/06 -, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

B.I. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 6.833,48 EUR aus einem Abwasserentsorgungsvertrag. Die Klägerin hat keine Tatsachen dargelegt, die einen Schluss auf einen Abwasserentsorgungsvertrag zulassen.

1. Zwischen den Parteien ist kein Abwasserentsorgungsvertrag zustande gekommen, weil etwa § 44 Satz 1 der Bauordnung für Berlin vom 29.9.2005 (BauOBln) und/oder § 4 Abs. 2 des Berliner Betriebe-Gesetzes vom 14.7.2006 (BerlBG) - oder eine früher geltende Bestimmung - für Grundstücke, auf denen Abwasser anfallen und die an betriebsfähig kanalisierten Straßen liegen oder die von solchen Straßen zugänglich sind, den Anschluss an die öffentliche Entwässerung und die Benutzung anordnen, sobald die Entwässerungsleitungen betriebsfähig hergestellt sind (Anschluss- und Benutzungszwang). Öffentlich-rechtliche Vorschriften führen nicht dazu, dass zwischen dem Begünstigten und dem Verpflichteten eines Anschluss...

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