Leitsatz (amtlich)
1. Das Fehlen der Entscheidungsgründe führt bereits auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
2. Eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist bei einem Urteil ohne Entscheidungsgründe ausgeschlossen.
Normenkette
StPO § 338 Nr. 7
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 18.03.2015; Aktenzeichen (581) 232 Js 3225/13 Ls Ns (27/15)) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. März 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten - Schöffengericht - hat gegen den Angeklagten wegen Betruges in drei Fällen und wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen (Fälle 2 und 4) eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt. Das Landgericht hat dieses Urteil auf die Berufung des Angeklagten aufgehoben, ihn wegen Betruges in zwei Fällen und wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Betrug, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt und die Berufung "im Übrigen (...) verworfen".
Die hiergegen erhobene und in zulässiger Weise begründete Revision der Staatsanwaltschaft Berlin hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Ein Verfahrenshindernis in Gestalt der Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils (dazu vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2008, 383) ist nicht gegeben. Zwar befindet sich eine Rechtsmittelschrift gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. Dezember 2014, deren Rechtzeitigkeit belegt ist, nicht bei den Akten. Jedoch hat die erkennende Richterin am 4. Januar 2015 den Vermerk: "Rechtsmittel/Berufung/Revision/Rechtsbeschwerde/Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtzeitig; Berufung d. Angeklagten Bl. 0" in die Akten aufgenommen und die förmliche Zustellung des Urteils an den Verteidiger sowie die - nach Eingang der Rechtfertigungsschrift, spätestens 14 Tage nach Zustellung durchzuführende - Vorlage der Akten an die Staatsanwaltschaft gemäß § 320 StPO verfügt (Bd. II Bl. 164 d.A.). Der Verteidiger hat mit Schriftsatz vom 12. Januar 2015 mitgeteilt, dass das Rechtsmittel als Berufung durchgeführt werden soll (Bd. II Bl. 166 d.A.). Die erkennende Richterin hat in einer dienstlichen Äußerung vom 16. September 2015 (Bd. III Bl. 46 d.A.) erklärt, dass sie zwar keine konkrete Erinnerung mehr an den Vorgang habe, sich jedoch nicht vorstellen könne, dass sie die Verfügung ohne Vorliegen einer Rechtsmittelschrift getroffen hätte. Ferner hat der Verteidiger eine Abschrift der - seinen Angaben zufolge allein auf dem Postweg übersandten - Rechtsmitteleinlegungsschrift mit Datum vom 18. Dezember 2014 übermittelt (Bd. III Bl. 48 f. d.A.). Damit ist ausreichend belegt, dass zwischen dem 18. Dezember 2014 und dem 4. Januar 2015 eine - später offenbar in Verlust geratene - Rechtsmittelschrift eingegangen ist. Das eingelegte Rechtsmittel ist als rechtzeitig anzusehen; denn Zweifel, die sich allein auf die Rechtzeitigkeit einer (nachweislich bei Gericht eingegangenen) Rechtsmittelschrift des Angeklagten beziehen, wirken sich zu dessen Gunsten aus (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl., § 261 Rdn. 35).
2. Das angefochtene Urteil unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch den Senat. Die von der Staatsanwaltschaft Berlin erklärte Beschränkung der Revision auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam. Eine Beschränkung der Revision nach § 344 Abs. 1 StPO ist nur dann zulässig und als solche wirksam, wenn der angegriffene Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von den nicht angegriffenen Entscheidungsteilen rechtlich und tatsächlich selbständig geprüft und beurteilt werden kann, ohne dass eine Überprüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich ist, und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (vgl. Gericke in Karlsruher Kommentar, StPO 7. Aufl., § 344 Rdn. 6 m.w.N.). Danach kam eine Beschränkung der Revision hier nicht in Betracht; denn das angefochtene Urteil enthält keine Entscheidungsgründe. Es bietet daher - da Feststellungen zum Schuldspruch gänzlich fehlen - von vornherein keine tragfähige Grundlage für einen neuen Rechtsfolgenausspruch.
3. Die danach auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils führt zu dessen Aufhebung. Das Urteil enthält - wie dargelegt - keine Entscheidungsgründe, weil die einzige daran beteiligte Berufsrichterin vor Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe auf unabsehbare Zeit dienstunfähig erkrankt ist. Dieser Mangel ist bereits auf die Sachrüge beachtlich (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 7 Entscheidungsgründe 2; KG, Beschlüsse vom 23. September 2015 - [3] 121 Ss 170/15 [120/15] - und 8. September 2015 - [2] 161 Ss 198/15 [55/15] -; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO., § 338 Rdn....