Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 02.12.2003; Aktenzeichen 9 O 320/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten zu 1) gegen das Zwischenurteil des LG Berlin vom 2.12.2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Kosten der Nebenintervention zweiter Instanz hat die Streithelferin selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % hiervon abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der Beklagten zu 1) Schadensersatz wegen Schlechterfüllung eines Architektenvertrages. Die Streithelferin war von der Beklagten zu 1) hinzugezogen worden, einen Teil der ihr obliegenden Architektenleistungen zu erbringen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten zu 1) und der Streithelferin richten sich gegen das Zwischenurteil des LG, in dem festgestellt wird, dass der Beklagten zu 1) die Klage am 23.5.2003 ordnungsgemäß zugestellt wurde.
Die Beklagte zu 1) und die Streithelferin wiederholen und vertiefen ihre Rechtsauffassung, dass die Zustellung der Klage unwirksam sei, weil die Anlagen zur Klageschrift nicht in Übersetzung beigefügt waren (unstreitig), was gegen bindende europarechtliche Zustellungsvorschriften verstoße.
Die Beklagte zu 1) und die Streithelferin beantragen, das angefochtene Zwischenurteil aufzuheben und die Klage als unzulässig abzuweisen.
Die Beklagte zu 1) beantragt ferner hilfsweise, dem EuGH folgende Fragen zur Entscheidung vorzulegen:
1. Ist der Begriff "Schriftstück" in Art. 5 und Art. 8 der Verordnung EG Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EuZVO) so auszulegen, dass hiervon nur das Schriftstück selbst - also die Klageschrift - umfasst ist, oder ist der Begriff des "Schriftstücks" so auszulegen, dass hierunter neben der Klageschrift auch die dazugehörigen und zusammen mit der Klageschrift bei Gericht eingereichten Anlagen zu verstehen sind, so dass die Annahme eines Schriftstücks nach Art. 8 Abs. 1 EuZVO auch dann verweigert werden kann, wenn die zur Klageschrift gehörenden Anlagen nicht in einer der in Art. 8 Abs. 1 lit. a oder lit. b EuZVO vorgesehene Sprachen abgefasst sind?
2. Bewirkt die Annahme eines in einer anderen als den in Art. 8 Abs. 1 lit. a oder lit. b EuZVO vorgesehenen Sprache abgefassten Schriftstück, dass das Schriftstück als nicht ordnungsgemäß im Sinne der EuZVO zugestellt ist, wenn die Empfangsstelle den Empfänger entgegen Art. 8 Abs. 1 EuZVO nicht davon in Kenntnis gesetzt hat dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern darf?
3. Ist die Rechtsfolge der Verletzung der Bestimmungen der Art. 4 Abs. 3, 5 Abs. 1 und 8 Abs. I EuZVO, wenn ein zuzustellendes Schriftstück ohne die erforderlichen Übersetzungen und ohne Belehrung über das Recht zur Annahmeverweigerung nach Art. 5 und 8 Abs. 1 EuGZVO erfolgt, dass der Zustellungsempfänger die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern kann oder die Unwirksamkeit der Zustellung?
Die Klägerin beantragt, die Berufung und die Hilfsanträge zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das landgerichtliche Urteil und wiederholt und vertieft ihre Ausführungen erster Instanz.
Für das weitergehende Parteivorbringen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten zu 1) ist zulässig. Gegen das Zwischenurteil des LG, das die ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift an die Beklagte zu 1) feststellt, ist die Berufung möglich. Es handelt sich um ein Zwischenurteil nach § 280 ZPO (zur Zulässigkeit der Klage), das gem. § 280 Abs. 2 ZPO wie ein Endurteil selbständig angefochten werden kann. Hier liegt eine Entscheidung nach § 280 ZPO (und nicht nach § 303 ZPO) vor, auch wenn im Tenor des landgerichtlichen Urteils nur die ordnungsgemäße Zustellung der Klage festgestellt ist. Damit liegt eine Entscheidung zu einer Zulässigkeitsvoraussetzung vor, weil die ordnungsgemäße Klageerhebung, die durch Zustellung der Klageschrift erfolgt (§ 253 ZPO), zu den sachlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört, ohne die das Gericht nicht sachlich verhandeln und entscheiden kann (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., Rz. 9, 14 vor § 253). Das ist ausreichend. Eine umfassende Feststellung der Zulässigkeit ist nicht notwendig (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 280 Rz. 8, Stichwort: "Verfahren").
Die Streithelferin ist nicht als Berufungsklägerin am Prozess beteiligt. Sie hat nicht als Beklagte zu 2) ein zweites Rechtsmittel eingelegt, sondern in ihrer Eigenschaft als Streithelferin zur Unterstützung der Beklagten zu 1) ...