Leitsatz (amtlich)
1. Auch im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Antrag auf einstweilige Verfügung kann das Beschwerdegericht gemäß §§ 922 Abs. 1 S. 1, 936 ZPO einen Verhandlungstermin anberaumen und anschließend durch Urteil entscheiden.
2. Es besteht ein Grund zum Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Bauträger, die bezugsfertig hergestellte Wohneinheit dem Erwerber zu übergeben, wenn auch unter den eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zuverlässig erkennbar ist, dass nach dem materiellen Recht ein dahingehender Anspruch des Erwerbers einredefrei besteht und der Bauträger die Erfüllung unberechtigt verweigert hat (Senat, Urteile vom 4. Oktober 2017, 21 U 79/17 und vom 5. Dezember 2017, 21 U 109/17).
3. Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber die Wohneinheit nicht selbst bewohnen, sondern vermieten will. Denn der Verfügungsgrund resultiert nicht aus der beabsichtigten Eigennutzung des Erwerbers, sondern aus der finanziellen Belastung, die ein Bauträgervertrag und eine eventuelle Ersatzbeschaffung für den Erwerber mit sich bringen.
4. Die Bestimmung in den von einem Bauträger gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauträgervertrages, wonach die Schlussrate bereits vor vollständiger Fertigstellung des Vertragsgegenstands auf das Anderkonto eines Notars zu zahlen ist, verstößt gegen § 309 Nr. 2.a) BGB und ist unwirksam.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 32 O 100/19) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 22.05.2019, 32 O 100/19, abgeändert und die Verfügungsbeklagte einstweilen verpflichtet, dem Kläger die folgende Eigentumswohnung und die dazugehörigen Schlüssel (Haus-, Wohnungs-, Briefkasten und Kellerschlüssel) Zug um Zug gegen Abnahme des Sondereigentums an dieser Wohnung zu übergeben:
Gartenhaus 1, 3. OG des Bauvorhabens R..., W..., ... bis ... in ... Berlin, bezeichnet als Wohnung Nr. 92, bestehend aus 2 Zimmern, Nebengelass und Balkon, eingetragen im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts ... von Berlin, Blatt ..., mit 323/100.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flur 718, Flurstück 305, Gebäude- und Freifläche R... W... mit einer grundbuchlichen Größe von 6.911 m2.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens beider Instanzen zu tragen.
Gründe
I. Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) kaufte mit notariellem Vertrag vom 12.09.2014 (Anlage AST 1) von der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte) ein 323/100.000 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit der Nr. 92 bezeichneten Wohnung in der R... /... in Berlin zum Zwecke der Vermietung. Die Wohnung hat eine Größe von 59,79 m2.
Der Kaufpreis beträgt 310.000,00 EUR. Seine Fälligkeit in Teilbeträgen nach dem jeweiligen Baufortschritt regelt § 4 des Notarvertrages (fortan: Bauträgervertrag).
Die Verfügungsbeklagte verpflichtete sich in § 2 Ziff. 8 des Bauträgervertrages zur bezugsfertigen Herstellung des Sondereigentums durch Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen bis zum 31.01.2017.
Die Parteien vereinbarten außerdem für den Fall der schuldhaften Überschreitung des Fertigstellungstermins der Wohnräume ab dem 01.03.2017 einen Schadensersatz in Höhe von 10,00 EUR/m2 pro angefangenem Kalendermonat, maximal jedoch in Höhe von 5 % des Kaufpreises, ohne Ausschluss eines darüber hinausgehenden Schadensersatzanspruches.
Unter § 7 Ziff. 1 des Bauträgervertrages vereinbarten die Parteien eine getrennte Abnahme von Sonder- und Gemeinschaftseigentum.
Die Abnahmetermine am 01.11.2018 und 01.02.2019 endeten jeweils ohne Abnahme des Sondereigentums durch den Kläger, da dieser sich weigerte, das ihm vorgelegte Abnahmeprotokoll (Anlage AST 4) zu unterzeichnen. Darin ist eine unwiderrufliche Abnahmeverpflichtung betreffend das Gemeinschaftseigentum nach Feststellung der Abnahmereife durch den TÜV ... sowie eine endgültige Abgeltungsregelung für Ansprüche wegen verzögerter Fertigstellung enthalten.
Mit Schreiben vom 05.03.2019 berief sich die Beklagte auf § 4 Ziff. 6 des Bauträgervertrages und verlangte die Hinterlegung der Fertigstellungsrate Zug um Zug gegen Besitzübergabe des Sondereigentums auf ein Notaranderkonto.
Im Hinblick auf die Überschreitung des Fertigstellungstermins rechnete der Kläger mit dem sich aus § 4 Ziff. 2 Abs. 2 des Bauträgervertrages ergebenden pauschalierten Schadensersatzbetrag in Höhe von 15.500,00 EUR gegen die restliche Kaufpreisforderung auf. Daneben sind die fälligen Kaufpreisraten bis auf die Fertigstellungsrate (10.850,00 EUR) sowie den Sicherheitseinbehalt nach § 3 Ziff. 4 des Bauträgervertrages (15.500,00 EUR) gezahlt.
Den Antrag des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagten, gerichtet auf Übergabe der bezugsfertigen Wohnung, hat das Landgericht mit Beschluss vom 22.05.2019 zurückgewiesen. Es fehle an dem im einstweiligen Rechtsschutz erforderlichen Verfügungsgrund. Dem Antragst...