Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 16.09.1999; Aktenzeichen 16 O 93/99)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin vom 16. September 1999 – 16 O 93/99 – wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,– DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Der Beklagten wird weiterhin nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

IV. Die Beschwer übersteigt für die Beklagte 60.000,– DM.

 

Tatbestand

Der Kläger ist ein gerichtlich anerkannter Wettbewerbsverein, zu dessen Mitgliedern eine Vielzahl von Gewerbetreibenden gehören, die pharmazeutische Produkte und Lebensmittel in Deutschland vertreiben (Wegen der weiteren Einzelheiten: Anlage K 1, Bl. 20 ff. d.A.).

Die Beklagte hat ihren Sitz in Enschede (Niederlande). Im Wege des Fernabsatzes vertreibt sie das Produkt „Tribolan”. Es enthält die Bestandteile Tribulus Terrestris Extrakt, Gelatine, Saw-Palmetto-Extrakt, Zinksulfat und Vitamin C. Die Beklagte bewirbt das Produkt in Zeitschriften für Sport, insbesondere in der Zeitschrift „Sport Revue”. In dem ganzseitigen Inserat im Heft 11/98 auf Seite 23 der Zeitschrift „Sport Revue” heißt es unter anderem:

„Der natürliche, patentierte TESTOSTERONBOOSTER bulgarischer Gewichtheber …”

„… erhöht den körpereigenen Testosteronspiegel um über 70 %…”

„Ein wichtiger Bestandteil ist die Substanz Tribulus Terrestris, welche nach nur 5 Einnahmetagen den körpereigenen Testosteronspiegel um 70 % erhöht …”

„… daß Tribolan wie kaum ein anderes Nahrungsergänzungsprodukt Kraft und Muskelmasse in kürzester Zeit aufpackt. …”

„Zahlreiche Studien … belegen, daß Tribulus Terrestris die körpereigene Testosteronproduktion ankurbelt und den Testosteronspiegel nach nur 5 Einnahmetagen um über 70 % erhöht. …”

„Nach wenigen Einnahmetagen von Tribolan resultiert der stark erhöhte Testosteronspiegel in einem deutlichen Muskelzuwachs, die Kraft steigt meßbar an, der Körper erholt sich spürbar schneller und die Muskeln reagieren mit einem gigantischen Aufpumpeffekt im Training …”

(Wegen der weiteren Einzelheiten: Anlage K 2, Bl. 36 d.A.).

Die Beklagte stellt die Wirksamkeit ihres Produktes entsprechend den Werbeaussagen nicht in Abrede.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, „Tribolan” sei ein Arzneimittel. Die Beklagte handele deshalb wettbewerbswidrig, wenn sie das Produkt in den Verkehr bringe und bewerbe, ohne dass es – was unstreitig ist – als Arzneimittel zugelassen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, bei Vermeidung eines für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel „Tribolan” ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, Tribolan sei kein Arzneimittel, sondern ein Lebensmittel. Ein Werbe- und Vertriebsverbot verstoße zudem gegen die Fernabsatzrichtlinie 97/7 EG.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Weitere Einzelheiten: Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. September 1999, Bl. AH 1 ff. d.A.).

Mit der hiergegen erhobenen Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihren erstinstanzlichen Vortrag. Das streitgegenständliche Produkt unterstütze den Muskelaufbau nur in Verbindung mit einem gezielten Training. Jedes Nahrungsmittel, das ein Mensch bedarfsgerecht zu sich nehme, unterstütze aber bei entsprechender körperlicher Betätigung den Muskelaufbau. Kraftsportlern sei bekannt, dass sie aufgrund ihres Trainings einen erhöhten und anderen Nährstoffbedarf hätten als der Durchschnittsverbraucher, den sie über die übliche Nahrung nicht decken könnten. Sie seien deshalb zur Ausübung ihres Sports auf entsprechende Nahrungsergänzungsmittel – wie das vorliegende – angewiesen.

Die Fernabsatzrichtlinie sei zur richtlinienkonformen Auslegung heranzuziehen. Der deutsche Verbraucher müsse deshalb wie der niederländische Verbraucher gleichen Zugang zu den von der Beklagten vertriebenen Produkten haben. Bis zur Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie im deutschen Recht sei offen, ob der deutsche Gesetzgeber ein höheres Schutzniveau anstreben werde. Zudem werde das streitgegenständliche Produkt zu einem besonderen Ernährungszweck, nämlich als Lebensmittel für intensive Muskelanstrengungen, vor allem für Sportler, gemäß Anlage I Nr. 8 der Richtlinien 89/398-EWG in den Verkehr gebracht und sei deshalb nach der Rechtsprechung des EuGH auch in Deutschland ...

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