Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 24.07.2020; Aktenzeichen 23 O 336/19) |
Tenor
1. Auf die Berufungen der Parteien wird das am 24.07.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 23 O 336/19 - teilweise geändert und zur Klarstellung neu gefasst:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 26,57 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 9,86 EUR seit dem 16.12.2020 sowie aus 16,71 EUR seit dem 24.08.2021 zu zahlen.
b) Es wird festgestellt, dass die Preisänderungsklausel in § 8 (4) des zwischen den Parteien abgeschlossenen Wärmelieferungsvertrages vom 25.02.2010 betreffend den Arbeitspreis unwirksam ist.
c) Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die am 30.04.2019 veröffentlichte Preisanpassungsformel des Arbeitspreises "APW = APWO × (0,5*B/BO + 0,5*BI/BIO)" ab dem 01.05.2019 in den Wärmelieferungsvertrag der Parteien vom 25.02.2010 einseitig einzuführen.
d) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz haben die Kläger 54% und die Beklagte 46% zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits der zweiten Instanz haben die Kläger 65% und die Beklagte 35% zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung der jeweils anderen Seite durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel in einem zwischen ihnen bestehenden Fernwärmelieferungsvertrag.
Die Kläger sind Eigentümer des Gebäudes ... in ... im sog. .... Zur Beheizung und Warmwasserversorgung schlossen die Parteien am 25.02.2010 den aus der Anlage K 2 ersichtlichen Wärmelieferungsvertrag. Die Beklagte produziert die von ihr im Schweizer Viertel an die einzelnen Nutzer gelieferte Wärme nicht selbst, sondern bezieht sie von der Firma .... Hierzu betreibt sie am Rande des Viertels eine Fernwärmeübergabestation. Dort entnimmt die Beklagte die von der ... gelieferte Energie, wandelt sie um und leitet sie durch ihr eigenes Nahwärmeverteilungsnetz an die ca. 725 Nutzer im .... Der Lieferung von ... an die Beklagte liegt eine Preisvereinbarung, der sog. Energiepreis, zugrunde, den die Beklagte auf jährliche Abrechnung zahlt.
Der jeweilige Bezugspreis der Nutzer setzt sich zusammen aus dem Arbeitspreis sowie dem Grund-, Bereitstellungs- oder Messpreis. In der Klausel werden als Faktor die Brennstoffeinkaufskosten der Firma ... des Basisjahres 2000 (E2000) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgeführt. Bei der jeweiligen Jahresabrechnung wird aus den historischen Brennstoffkosten (derzeit bezogen auf das Basisjahr 2015 = E2015) und den tatsächlichen Brennstoffeinkaufskosten (Eaktuell) im Abrechnungsjahr ein Quotient gebildet, mit dem Arbeitspreis multipliziert und in den Abrechnungen als APaktuell ausgewiesen.
Die Kosten der Wärmeerzeugung sind im Arbeitspreis abgebildet. Die Kosten der Bereitstellung der Wärme und deren Entwicklung werden im Grund-, Bereitstellungs- oder Messpreis abgebildet. Dabei werden der Aufwand zur Herstellung und zum Erhalt der Versorgungsbereitschaft der technischen Anlagen zur Wärmeerzeugung, mithin der Infrastruktur, Wärmeübernahme und -übergabe und deren Verteilung von und bis zu den jeweiligen Übergabepunkten erfasst. Enthalten in diesem Preisbestandteil ist auch die Entwicklung von Lohn- und Materialkosten.
Die von den Klägern beanstandete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis lautet:
AP = AP2000 × E/E2000
Die Preisänderungsklausel betreffend die jeweils gültigen Bereitstellungs- und Messpreise (P) lautet
P = P2000 (0,4 I/I2000 + 0,6 L/L2000)
wobei
I = den Jahresindex der Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte und
L = die Jahreslohnindexziffer für Arbeiter der Elektrizitäts-, Gas- und Fernwärme-, Wasserversorgung nach dem Statistischen Bundesamt wiedergeben.
Der Arbeitspreis bemisst sich in Euro je Kilowattstunde verbrauchter Wärme, der Grundpreis in Euro je Quadratmeter beheizter Fläche und Monat.
§ 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung vom 1.1.2000 bis 11.11.2010 lautet:
"Preisänderungsklauseln dürfen nur so ausgestaltet sein, daß sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Sie müssen die maßgeblichen Berechnungsfaktoren vollständig und in allgemein verständlicher Form ausweisen. Bei Anwendung der Preisänderungsklauseln ist der prozentuale Anteil des die Brennstoffkosten abdeckenden Preisfaktors an der jeweiligen Preisänderung gesondert auszuweisen."
Die Beklagte rechnete ihre Leistungen für die Jahre 2015 bis 2018 wie aus den als Anlagen K 4 bis K 7 vorgelegten Rechnungen...