Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 19.05.2005; Aktenzeichen 27 O 73/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.5.2005 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 73/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR und hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Die Beklagte veröffentlichte in der "B." vom ... drei Fotos, welche die Klägerin mit ihrem Lebensgefährten H.G. in R. in vorderster Reihe eines Cafés bzw. nebeneinander beim Bummeln in einer Fußgängerzone zeigen. Die Beklagte hat die einstweilige Verfügung des Senats vom 29.10.2004 - 9 W 128/04 - (NJW 2005, 605), mit der ihr eine weitere Verbreitung der Fotografien untersagt worden ist, hinsichtlich des Bildes, welches die Klägerin und G. bei einem Kuss zeigt, als endgültige Regelung anerkannt. Auf die Klage hat das LG der Beklagten eine erneute Veröffentlichung der beiden weiteren Fotos untersagt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung macht die Beklagte geltend:
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts komme gemäß § 31 BVerfGG eine höherrangige Bindungswirkung zu als solchen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das LG hätte beachten müssen, dass die Pressefreiheit nach dem Urteil des BVerfG vom 15.12.1999 grundsätzlich auch die Veröffentlichung von Bildern gewährleistet, die Personen des öffentlichen Lebens in alltäglichen oder privaten Zusammenhängen zeigen, und dass die Klägerin und G. sich nicht in einer Situation örtlicher Abgeschiedenheit befanden. Die deutschen Gerichte müssten die Entscheidungen des EGMR zwar berücksichtigen, seien aber gehindert, der Auslegung der EMRK durch die Caroline-Entscheidung zu folgen.
Unabhängig hiervon habe das LG die Umstände des Einzelfalls einseitig zu Lasten der Beklagten gewürdigt. Das Café mit geöffneten Glastüren habe keine Zurückgezogenheit und keinerlei Sichtschutz vermittelt. Es gebe keinen Anhaltspunkt, dass mit einem starken Teleobjektiv fotografiert worden sei. Die Aufnahmeentfernung von einigen Metern lasse keinen Rückschluss auf einen Privatsphärenschutz zu. Umgekehrt wäre es eine besondere und unnötige Belästigung, den Abgebildeten die Kamera direkt unter die Nase zu halten. Die Argumentation des LG, bei dem Foto auf der Straße sei nicht erkennbar, was dokumentiert werden soll, sei mit Art. 5 GG unvereinbar. Das Informationsinteresse an der Lebensgefährtin von G. müsse wenigstens durch das "harmlosere" Foto befriedigt werden dürfen. G. habe das Interesse an seinen privaten Verhältnissen nachhaltig ausgelöst und gesteigert, indem er über mindestens vier Jahre hinweg bereitwillig zum Tod seiner Frau und seinem Leben danach Auskunft gegeben und seine Trauer auf einem millionenfach verkauften Tonträger verarbeitet habe. Der redaktionelle Text sei Ausdruck der journalistischen Überzeugung der Beklagten, dass das Thema die Menschen nach wie vor bewege.
Die Beklagte beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II. Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG, § 823 Abs. 1 BGB und Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Veröffentlichung der Fotos, welche die Klägerin in R. beim Besuch eines Cafés bzw. beim Bummel in einer Fußgängerzone mit H.G. zeigen, hat sie in ihrem Recht am eigenen Bild und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
1. Allerdings dürfen Bildnisse des vertrauten Begleiters einer so genannten "absoluten Person der Zeitgeschichte" verbreitet werden, wenn der Begleiter zusammen mit dem betreffenden Partner in der Öffentlichkeit auftritt (vgl. z.B. BVerfG NJW 2001, 1921 [1923]). Ferner ist in der Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ein schützenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit daran anerkannt worden, wie sich eine "absolute Person der Zeitgeschichte" als einfacher Mensch, also auch außerhalb seiner öffentlichen Funktionen, in der Öffentlichkeit bewegt (vgl. BGH NJW 1996, 1128 [1131]), und ist Plätzen, an denen sich der Betroffene unter vielen Menschen befindet, ein Privatsphärenschutz abgesprochen worden (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1999, NJW 2000, 1021 [1023]).
H.G. ist unstreitig eine "absolute Person der Zeitgeschichte", d.h. eine Person, die unabhängig von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit findet (zur Definition vgl. BVerfG NJW 2000, 1021 [1025]). Die Klä...