Leitsatz (amtlich)
Im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24.6.2004 (EuGHMR, Urt. v. 24.6.2004) ist es mit der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 und 2 GG) vereinbar, das Recht Prominenter und ihrer vertrauten Begleiter auf Achtung ihres Privatlebens nach Abwägung im Einzelfall über Orte der Abgeschiedenheit hinaus zu erstrecken.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 29.06.2004; Aktenzeichen 27 O 481/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Berlin vom 29.6.2004 - 27 O 481/04 - geändert: Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom LG für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, untersagt, die in der B. Nr. ... vom ... 2004 auf Seite ... und ... veröffentlichten Fotografien zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens nach einem Wert von 20.000 Euro zu tragen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet. Der Antragstellerin steht entsprechend § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, § 823 Abs. 1 BGB und Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu. Die Veröffentlichung der Fotos, welche die Antragstellerin in Rom beim Besuch eines Straßencafés bzw. beim Bummel in einer Fußgängerzone mit H.G. zeigen, in der Zeitschrift "B." vom ... 2004 hat die Antragstellerin in ihrem Recht am eigenen Bild und in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
1. Allerdings dürfen Bildnisse des vertrauten Begleiters einer sog. "absoluten Person der Zeitgeschichte" verbreitet werden, wenn der Begleiter zusammen mit dem betreffenden Partner in der Öffentlichkeit auftritt (BVerfG v. 26.4.2001 - 1 BvR 758/97, 1857/98, 1918/98, 2109/99, 182/00, NJW 2001, 1921 [1923]). Ferner ist in der Rechtsprechung der höchsten deutschen Gerichte im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ein schützenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit daran anerkannt worden, wie sich eine "absolute Person der Zeitgeschichte" als einfacher Mensch, also auch außerhalb seiner öffentlichen Funktionen, in der Öffentlichkeit bewegt (BGH v. 19.12.1995 - VI ZR 15/95, MDR 1996, 913 = NJW 1996, 1128 [1131]), und ist Plätzen, an denen sich der Betroffene unter vielen Menschen befindet, ein Privatsphärenschutz abgesprochen worden (BVerfG, Urt. v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, MDR 2000, 211 = NJW 2000, 1021 [1023]).
H.G. ist eine "absolute Person der Zeitgeschichte", d.h. eine Person, die unabhängig von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit findet (zur Definition BVerfG, Urt. v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, MDR 2000, 211 = NJW 2000, 1021 [1025]). Die Antragstellerin war bei Fertigung und Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos (und ist nach wie vor) seine Lebensgefährtin. Die Antragstellerin und G. befanden sich, als sie durch Rom flanierten bzw. vor dem Café auf der Straße saßen, nicht an einem Ort der Abgeschiedenheit (zu diesem Kriterium BGH v. 19.12.1995 - VI ZR 15/95, MDR 1996, 913 = NJW 1996, 1128 [1130]; BVerfG, Urt. v. 15.12.1999 - 1 BvR 653/96, MDR 2000, 211 = NJW 2000, 1021 [1023]).
Da die Antragsgegnerin mit den Bildern einen Bericht über die Begleitsituation illustriert hat, kann die Antragstellerin aus der Entscheidung des BGH v. 9.3.2004 (BGH v. 9.3.2004 - VI ZR 217/03, BGHReport 2004, 1049 = NJW 2004, 1795) nichts herleiten.
2. Nach den Maßstäben des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EuGHMR) vom 24.6.2004 (EuGHMR, Urt. v. 24.6.2004 - 59320/00, NJW 2004, 2647) ist ein Unterlassungsanspruch aber zu bejahen, nämlich gem. Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ein staatlicher Schutz gegen die Verbreitung solcher Fotos aus dem Privatleben geboten:
a) Der EGMR hat zu Fotos, die Prinzessin C.v.H. z.B. beim Einkaufen und beim Restaurantbesuch zeigen, u.a. ausgeführt: Für den Ausgleich zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung komme es auf den Beitrag an, den Fotos oder Artikel in der Presse zu einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten (Tz. 60, 76). Hier handele sich nicht um die Verbreitung von "Ideen", sondern von Bildern mit sehr persönlichen Informationen über einen Menschen (Tz. 59), nämlich von Fotos, welche die Beschwerdeführerin im Alltagsleben bei rein privaten Tätigkeiten zeigen (Tz. 61). Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass derartige in der Boulevardpresse veröffentlichten Fotos oftmals unter Bedingungen entstünden, die einer Dauerbelästigung gleichkommen und als Verfolgung empfunden werden (Tz. 59, 68). Auch eine der breiten Öffentlichkeit bekannte Person müsse eine "berechtigte Hoffnung" auf Schutz und Achtung ihr...