Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 20.10.2005; Aktenzeichen 27 O 776/05) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 20.10.2005 verkündete Urteil des LG Berlin - 27 O 776/05 - geändert und die einstweilige Verfügung des LG Berlin vom 18.8.2005 - 27 O 776/05 - aufgehoben.
Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Vorstand, untersagt, Fotos der Antragstellerin zu veröffentlichen, wie in B. Nr. 33 vom 15.8.2005 auf S. 49 geschehen.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des ersten Rechtszuges zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragstellerin ¾ und die Antragsgegnerin ¼ zu tragen.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist eine bekannte deutsche Fernsehjournalistin und -moderatorin. Die Antragsgegnerin veröffentlichte in der von ihr verlegten Zeitschrift "B." ein Foto, welches die Antragstellerin mit ihrer Putzfrau beim Einkaufen in Port Andratx auf Mallorca zeigt. Foto und dazu gehöriger Text befanden sich auf einer bebilderten Seite mit der Überschrift "Was jetzt los ist auf Mallorca".
Der Antragsgegnerin wurde durch einstweilige Verfügung untersagt, "Bildnisse aus dem privaten Alltag der Antragstellerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, wie in B. Nr. 33 vom 15.8.2005 auf der S. 49 geschehen". Die Berufung der Antragsgegnerin richtet sich gegen die Bestätigung der einstweiligen Verfügung durch das angefochtene Urteil.
II. Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin gegen ihre Verurteilung durch das LG hat Erfolg. Dem in zweiter Instanz gestellten (ersten) Hilfsantrag der Antragstellerin ist dagegen zu entsprechen.
1. Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob der Hauptantrag zulässig, nämlich i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist.
a) Ein Unterlassungsantrag - wie auch eine darauf beruhende Verurteilung, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO - muss so deutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte umfassend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (BGH v. 4.5.2005 - I ZR 127/02, BGHReport 2005, 1202 = MDR 2005, 1240 = NJW 2005, 2550 [2551]; v. 13.3.2003 - I ZR 143/00, BGHReport 2003, 1086 = NJW 2003, 3046 [3047]; v. 9.4.1992 - I ZR 171/90, MDR 1992, 954 = WRP 1992, 560 [561]). Der Einschüchterungseffekt, der sich bei einem Verbot mit unklarer Reichweite aus den gem. § 890 ZPO bei einem (schuldhaften) Verstoß drohenden Ordnungsmitteln ergibt, stellt einen unzumutbaren Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung dar (BVerfG v. 19.2.2004 - 1 BvR 417/98, NJW 2004, 1942 zu II. 2. b. aa; s. a. KG, Urt. v. 22.6.2004 - 9 U 87/04).
Allerdings sind bei der Formulierung eines Unterlassungsantrages dennoch im Interesse eines hinreichend wirksamen Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, weil eine Verletzungshandlung die Vermutung der Begehungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGH v. 1.12.1999 - I ZR 49/97, MDR 2000, 1147 = NJW 2000, 2195 [2196]; s. z.B. auch KG, Beschl. v. 22.4.2003 - 9 W 7/03). Dabei kann es unter Umständen bei der Fassung des Verfügungs- bzw. Klageantrags und des entsprechenden Urteilsausspruchs hinzunehmen sein, dass das Vollstreckungsgericht bei der Beurteilung behaupteter Verstöße gegen das Unterlassungsgebot auch Wertungen vornehmen muss (BGH v. 9.9.2004 - I ZR 93/02, MDR 2005, 942 = CR 2005, 338 m. Anm. Hartwig = BGHReport 2005, 731 = NJW 2005, 1050 zu II.4.a). Es muss aber stets auch in dieser verallgemeinerten Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommen (BGH WRP 2000, 1258 [1260]).
b) Der Hauptantrag der Antragstellerin geht deutlich über die konkrete Verletzungshandlung hinaus. Nach dem Wortlaut des Antrages und dem Vorbringen der Antragstellerin will sie einer Verbreitung von Bildnissen aus ihrem privaten Alltag generell - über das konkrete Foto und "kerngleiche" Bilder hinaus - entgegen treten. Der Verbotstenor soll gem. Schriftsatz der Antragstellerin vom 6.4.2006 beispielsweise Fotos erfassen, die sie mit ihrem neuen Lebensgefährten in Paris zeigen, bzw. gem. Schriftsatz vom 20.6.2006 Bilder "beim Spazierengehen, Einkaufen, privatem Urlaub, privaten Veranstaltungen etc.".
c) Es erscheint fraglich, ob die von der Antragstellerin verwendete Formulierung "Bildnisse aus dem privaten Alltag" geeignet ist, das zu unterlassende Handeln hinreichend konkret zu bezeichnen. Dieser Begriff ist zwar in der Rechtsprechung wiederholt verwandt worden, aber nicht zur Eingrenzung...