Leitsatz (amtlich)
Die Einhaltung einer bestimmten Form über die Mitteilung des Vorkaufsfalls (hier: beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages) kann nicht mit dinglicher Wirkung vereinbart werden. Der vorkaufsverpflichtete Grundstückseigentümer, der nicht Partei des schuldrechtlichen Vorkaufs war, ist an die vereinbarte Form nicht gebunden, und zwar auch dann nicht, wenn im Grundbuch auf die Eintragungsbewilligung und dort auf die vertragliche Formklausel Bezug genommen wird.
Normenkette
BGB § 469 Abs. 1-2, § 1098 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 29 O 462/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Februar 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 29 O 462/16, abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages zzgl. 10% leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die wirksame Ausübung eines Vorkaufsrechts für eine Liegenschaft in Berlin-Mitte. Der Kläger verkaufte das zu einem Komplex gehörende streitgegenständliche Teilgrundstück neben weiteren mit notariellem Kaufvertrag vom 20.12.1995 (Anlage K 13, i.F. "Kaufvertrag 1995") an eine GbR. Mit dem Vertrag sollte gemäß dessen § 5 Abs. 1 lit. a) die Errichtung eines Wohn- und Geschäftskomplexes zur Schaffung von öffentlich gefördertem Wohnraum und von Arbeitsplätzen durch die Erwerberin bis Ende 1997 bezweckt werden. Der § 7 Abs. 1 des Vertrages räumte dem Verkäufer ein Vorkaufsrecht an dem Grundstück "für alle Vorkaufsfälle" ein und bestimmte, dass die Frist für die Ausübung drei Monate beträgt und mit dem Zugang "einer beglaubigten Abschrift des rechtswirksamen Kaufvertrages beim Verkäufer" beginnt. Im Grundbuch des Amtsgerichts Mitte ist in Abteilung II zugunsten des Klägers ein "Vorkaufsrecht für bestimmte Verkaufsfälle" unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 12 Nr. 3a des Kaufvertrages 1995 eingetragen. Die Vorgängerin der Beklagten erwarb das streitgegenständliche Teilgrundstück im Jahr 1997. Mit notariellem Kaufvertrag vom 22.10.2015 (Anlage K 2, i.F. "Kaufvertrag 2015") verkaufte die Beklagte das Teilgrundstück - nachdem das Investitionsvorhaben zwischenzeitlich fertiggestellt war - an einen Dritten. Mit Schreiben vom 29.10.2015 (Anlagen B 1 und 2) an das Bezirksamt Mitte von Berlin und vom 14.4.2016 (Anlage B 5) an die Senatsverwaltung für Finanzen (i.F. "SenFin") forderte der den Kaufvertrag 2015 beurkundende Notar unter Beifügung von Kopien des Kaufvertrages zur Erklärung der Nichtausübung des Vorkaufsrechts auf. Mit Email vom 27.5.2016 teilte ein Mitarbeiter der SenFin der Beklagten mit, dass die B ... GmbH (i.F. "B... ") mit der Durchführung des Grundstücksgeschäfts beauftragt sei. Mit an die B... gerichtetem Schreiben vom 30.5.2016 (Anlage K 4), dem eine beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages 2015 beigefügt war, wiederholte der Notar sodann seine Aufforderung zur Erklärung über das Vorkaufsrecht. Mit Schreiben der B... vom 23.8.2016 (Anlage K 4) erklärte diese gegenüber der Beklagten die Ausübung des Vorkaufsrechts.
Wegen des Parteivorbringens erster Instanz, der dort gestellten Anträge und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat durch ein am 14.2.2017 verkündetes Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger das streitgegenständliche Teilgrundstück aufzulassen, die Eintragung des Klägers im Grundbuch als Eigentümer zu bewilligen und zu beantragen sowie die Rechte und Ansprüche aus den streitgegenständlichen Mietverhältnissen abzutreten. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht darauf abgestellt, erst das Schreiben der Beklagten vom 30.5.2016 habe den Anforderungen an eine formgerechte Mitteilung des Vorkaufsfalls i.S.v. § 7 Abs. 1 des Kaufvertrages 1995 genügt, weil den vorangegangenen Schreiben der Beklagten keine beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages 2015 beigefügt war. Der Kläger habe das ihm eingeräumte Vorkaufsrecht am 23.8.2016 folglich binnen der vertraglich vereinbarten Frist von drei Monaten ausgeübt.
Gegen das ihr am 28.2.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.3.2017 Berufung eingelegt und diese am 27.4.2017 begründet.
Sie ist der Ansicht, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es zur Mitteilung des Vorkaufsfalls einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages bedurfte. Bereits die vorangegangenen Mitteilungen des Vorkaufsfalls durch den Notar seien formgerecht gewesen und hätten die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgelöst, so dass die Erklärung des Klägers verspätet sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass die vertragliche Regelung des § 7 Abs. 1 des Kaufvertrages 1995 keine dingliche Wirkung zulasten de...