Verfahrensgang
AG Berlin-Lichtenberg (Entscheidung vom 22.08.2007; Aktenzeichen 7 C 178/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. August 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 1.600,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. August 2006 Zug um Zug gegen Herausgabe der Teppiche Ladik 3,31 m x 2,57 m = 8,51 qm und Ladik 1,39 m x 2,30 m = 3,20 qm zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrags sowie der vom Amtsgericht getroffenen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte begehrt mit ihrer Berufung Klageabweisung und verfolgt ihren Widerklageantrag weiter. Das Amtsgericht habe zu Unrecht nicht das deutsche Recht angewendet, da die Parteien dieses stillschweigend vereinbart hätten. Selbst wenn keine Rechtswahl vorgenommen worden wäre, finde deutsches Recht zumindest über Art. 29 Abs. 2, 29 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB Anwendung.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Wahl des deutschen Rechts sei nicht ersichtlich, allein die Verwendung der deutschen Sprache reiche dafür nicht aus. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 29 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB berufen, da sie zwar eine Mitorganisation der Reise durch die Kläger behauptet, dazu jedoch nichts Konkretes vorgetragen habe.
II.
Das Kammergericht ist gemäß § 119 Abs. 1 lit. b) und c) GVG zur Entscheidung über die Berufung zuständig. Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg, da die Beklagte ihre auf Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen hat. Damit sind die gegenseitigen Leistungen rückabzuwickeln, ein restlicher Kaufpreisanspruch besteht nicht.
Das deutsche materielle Recht ist anwendbar, weil sich aus dem Vertrag der Parteien eine stillschweigende Rechtswahl nach Artikel 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zugunsten des deutschen materiellen Rechts ergibt. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB ist für eine konkludente Rechtswahl erforderlich, dass sich die Rechtswahl "mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles" ergibt. Dabei sind alle Indizien, die für oder gegen die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung sprechen, zu würdigen (vgl. z.B. BGH NJW 2001, 1936).
Grundsätzlich spricht zwar der Abschluss eines Kaufvertrages im Ausland dafür, dass auch die dort geltende Rechtsordnung maßgebend ist. Dem kommt aber bei einem in entscheidenden Punkten nicht im Ausland abzuwickelnden Vertrag nicht ein solches Gewicht zu, wie wenn die vollständige Erfüllung (Bezahlung und Aushändigung) vor Ort vorgenommen wird. Hier deutet eine Vielzahl anderer Umstände auf eine Anwendung deutschen Rechts hin. Der Vertrag ist einschließlich der Geschäftsbedingungen vollständig auf Deutsch abgefasst, er ist überschrieben mit der Bezeichnung "Kaufvertrag". Es wurden z.B. mit dem Vorbehalt des Eigentums Begriffe der deutschen Rechtssprache verwendet. Die Vertragsverhandlungen wurden auf Deutsch geführt. Bereits die Abfassung des Vertrages allein in der Sprache eines Landes deutet auf die konkludente Wahl dessen Rechts hin (BGH NJW 1998, 1321 für einen in spanisch abgefassten Kaufvertrag, der von einem deutschen Notar beurkundet worden ist: Hinweis auf die Wahl des spanischen Rechts), reicht aber für sich genommen nicht aus. Die Beklagte hatte, für die Klägerin aus dem Vertragsformular erkennbar, ihren Wohnsitz in Deutschland und war deutsche Staatsangehörige. Der Vertrag sollte seitens der Klägerin durch Auslieferung in Deutschland erfüllt werden (zu diesem Indiz vgl. Magnus in: Staudinger, Bearbeitung 2001, Art. 27 EGBGB Rdn. 83). Der Kaufpreis war nicht in türkischer Lira, sondern in Euro ausgewiesen. Schließlich war der Besuch der Fabrikation der Klägerin Teil einer von der Beklagten gebuchten Pauschalreise - was auch der Klägerin bekannt gewesen ist -, die ihrerseits deutschem Recht unterlag.
Jedes dieser Indizien für sich würde zwar nicht ausreichen, eine Rechtswahl zu Gunsten des deutschen Rechts anzunehmen. Bei der - gebotenen (vgl. z.B. BGH NJW 2001, 1936; ferner Magnus a.a.O. Rn 86 m.N. aus der Rspr.) - Gesamtbetrachtung spricht aber allein der Ort des Vertragsabschlusses neben dem Sitz der Klägerin gegen die Anwendung deutschen Rechts, während alle anderen maßgebenden Indizien auf das deutsche Recht hindeuten. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände konnte die Beklagte berechtigtermaßen davon ausgehen, dass auf den Vertrag deutsches Recht anwendbar ist. Dieses Verständnis auf ihrer Seite ist maßgebend. Das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Vereinbarung über das anzuwendende Recht bestimmt sich gemäß Art. 27 Abs. 4, Art. 31 Abs. 1 EGBGB nach dem Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre (vgl. BGH NJW 1987, ...