Leitsatz (amtlich)

1. Die für eine Berufung notwendige Beschwer des Klägers einer negativen Feststellungsklage entfällt nicht nachträglich durch die übereinstimmende Erledigungserklärung im Sinne von § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO, wenn der Kläger gleichzeitig mit seiner (zunächst einseitigen) Erledigungserklärung in Bezug auf die negative Feststellungsklage eine privilegierte Klageumstellung auf einen Leistungsantrag im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO vorgenommen hat und die Beklagte im Nachgang der Erledigungserklärung zustimmt.

2. Die Berufung bleibt in diesem Fall zulässig, weil der Kläger seinen in der Vorinstanz als negative Feststellungsklage erhobenen und durch das angefochtene Urteil abgewiesenen Klageanspruch mit der Berufung - jetzt nur als Leistungsklage - weiterverfolgt und damit die Richtigkeit des angefochtenen Urteils infrage stellt (Anschluss BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - IX ZB 106/11, juris Rn. 7 und Urteil vom 11. Oktober 2000 - VIII ZR 321/99, juris Rn. 7 sowie Abgrenzung OLG Stuttgart, Urteil vom 8. November 2022 - 6 U 757/20, juris Rn. 20-22 sowie OLG Stuttgart, Urteil vom 8. November 2022 - 6 U 718/20, Seite 4 und 5, nicht veröffentlicht).

3. Stellt der Kläger einer negativen Feststellungsklage im Rahmen einer privilegierten Klageerweiterung (§ 264 Nr. 2 ZPO) in der Berufungsinstanz auf einen Zahlungsantrag um, besteht die in der Abweisung der Feststellungsklage liegende Beschwer in der Berufungsinstanz fort.

4. Bei der widerrufsbedingten Rückabwicklung eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags besteht kein gemeinsamer Erfüllungsort. Damit ist auch kein einheitlicher Gerichtsstand am Wohnsitz des Verbrauchers gem. § 29 ZPO begründet (Anschluss Kammergericht, Urteil vom 21. Januar 2021 - 4 U 1048/20, juris Rn. 269 - 279; Beschlüsse vom 19. Oktober 2020 - 8 U 38/19, juris Rn. 98 - 100 und vom 21. September 2022 - 8 U 1054/20, juris Rn. 46 - 54 und Beschluss vom 08. Dezember - 24 U 1050/20, S. 2, nicht veröffentlicht).

5. Für die negative Feststellungsklage des Darlehensnehmers eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Verbraucherdarlehensvertrags, dem Darlehensgeber aufgrund des Widerrufs der Vertragserklärung keine Zins- und Tilgungsleistungen aus dem Verbraucherdarlehensvertrag mehr zu schulden, besteht der Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 29 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB (auch) am Wohnsitz des Klägers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Anschluss Kammergericht, Urteil vom 21. Januar 2021 - 4 U 1048/20, juris Rn. 80 - 90; Beschluss vom 21. September 2022 - 8 U 1054/20, juris Rn. 29 - 37)

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 03.12.2019; Aktenzeichen 21 O 124/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 03.12.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 21 O 124/19 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit auf den im Berufungsverfahren hilfsweise gestellten Antrag des Klägers an das örtlich zuständige Landgericht Stuttgart verwiesen wird.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 32 % und die Beklagte 68 % zu tragen.

3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit und die Rechtsfolgen des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

Der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Berlin (heute in ...) wohnende Kläger schloss mit Vertragsformular der Beklagten mit Sitz in ... am 05.12.2016 unter Einbeziehung der Darlehensbedingungen der Beklagten einen Darlehensvertrag (Nr. ...) über einen Nettodarlehensbetrag in Höhe von 22.741,12 EUR zu einem Sollzinssatz in Höhe von 2,95 % p. a. zur teilweisen Finanzierung des bei der ...- GmbH als Gebrauchtfahrzeug zum Kaufpreis von 32.000,00 EUR durch den Kläger erworbenen PKW Mercedes-Benz C 220 dT. Der Darlehensvertrag sah eine durch den Kläger an die Autoverkäuferin zu leistende Anzahlung in Höhe von 10.000 EUR, eine Laufzeit von 36 Monatsraten zu je 294,81 EUR, fällig ab 01/2017 sowie einer Schlussrate in Höhe von 13.760 EUR, fällig 12/2019 vor. Seite 1 des Darlehensvertrags enthält folgende Angaben über die Verzugsfolgen:

"Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."

Die Widerrufsinformation lautet:

((Abbildung))

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage K1 Bezug genommen.

Die Beklagte zahlte den vereinbarten Nettodarlehensbetrag direkt an die Autoverkäuferin. Der Kläger zahlte die monatlichen Darlehensraten fortan - ...

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