Leitsatz (amtlich)
1. Für die negative Feststellungsklage des Darlehensnehmers eines finanzierten PKW-Kaufs, dem Darlehensgeber nach Widerruf der Vertragserklärung keinen Zins und Tilgung mehr zu schulden, besteht der Gerichtsstand gemäß § 29 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB (auch) am Wohnsitz des Klägers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
2. Für Ansprüche aus dem Rückabwicklungsverhältnis ist nach §§ 12, 17 ZPO hingegen das Gericht am Sitz des Darlehensgebers zuständig.
3. Hat das Gericht erster Instanz seine örtliche Zuständigkeit zu Recht verneint und die Klage als unzulässig abgewiesen, so ist auf den zweitinstanzlichen hilfsweisen Verweisungsantrag des Klägers der Rechtsstreit nach § 281 ZPO unter Aufhebung des (richtigen) angefochtenen Urteils an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht die Berufung auch in der Sache für offensichtlich unbegründet i.S. von § 522 Abs. 2 ZPO halten würde, da über die Begründetheit vom zuständigen Gericht zu entscheiden ist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 38 O 248/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 05.05.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 38 O 248/19 - wird in Bezug auf die begehrte Feststellung der Erledigung des negativen Feststellungsantrags (Klageantrag zu 1.) mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
In Bezug auf die Klageanträge zu 2. bis 5. wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Urteil des Landgerichts Berlin - auch im Kostenpunkt - aufgehoben und der Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Stuttgart verwiesen wird.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Kläger darf die Vollstreckung aus diesem Beschluss durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 36.000 EUR.
Gründe
A. Der in Berlin ansässige Kläger und das beklagte, in Stuttgart ansässige Kreditinstitut schlossen am 03.08.2015 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufs. Der Kläger erklärte am 06.02.2019 den Widerruf seiner Vertragserklärung und reichte am 03.07.2019 beim LG Berlin Klage ein auf Feststellung, dass die Beklagte aus dem Darlehensvertrag "zum Stichtag 01.03.2019" keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr beanspruchen kann, sowie hilfsweise - für den Fall der Zulässigkeit und Begründetheit dieses Antrages - auf Zahlung von 21.570,00 EUR nebst Zinsen nach Übergabe des Fahrzeugs, auf Feststellung von Annahmeverzug der Beklagten mit der Entgegennahme des Fahrzeugs und auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Der Kläger hat die monatlichen Darlehensraten sowie im August 2019 die Schlusszahlung erbracht, die Beklagte hat dem Kläger daraufhin unter dem 13.08.2019 die Zulassungsbescheinigung übersandt und das Eigentum am Fahrzeug an den Kläger übertragen (Anl. B 1). Nach Einzahlung des Kostenvorschusses am 13.11.2019 ist die Klage am 29.11.2019 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 02.04.2020 hat der Kläger die negative Feststellungsklage (einseitig) für erledigt erklärt und den - nunmehr unbedingt gestellten - Antrag auf Rückzahlung um die im Zeitraum März bis August 2019 erbrachten Zahlungen erweitert. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, mit dem das Landgericht die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit abgewiesen hat.
Mit der Berufung begehrt der Kläger Zurückverweisung und hilfsweise Verurteilung der Beklagten nach den erstinstanzlichen Anträgen.
Der Kläger macht geltend:
Das Landgericht Berlin sei für die (erledigte) negative Feststellungsklage, bei der es sich nicht um eine Zwischenfeststellungsklage, sondern eine solche nach § 256 Abs. 1 ZPO handele, nach § 29 ZPO zuständig. Der Gesetzgeber habe die Grundsätze der sog. Spiegelbildtheorie willentlich über § 29 ZPO regeln wollen. Die Bestimmung des örtlichen Gerichtsstands insoweit nach dem Rückabwicklungsverhältnis sei unzutreffend. Es sei auch reine Spekulation, dass es dem Kläger weniger um die Leugnung seiner Zahlungspflicht aus dem Kreditvertrag, sondern im Schwerpunkt um die Rückzahlungsansprüche aus dem Rückabwicklungsverhältnis gehe.
Das Landgericht Berlin sei auch für den Zahlungsantrag örtlich zuständig. Es bestehe - nicht anders als im Fall des Rücktritts vom Kaufvertrag - ein gemeinsamer Erfüllungsort an dem Ort, an dem sich die Kaufsache bestimmungsgemäß befinde. Dies folge insbesondere auch daraus, dass der Darlehensgeber qua verbundenen Vertrags gleichsam in die Rechtsposition des Verkäufers eintrete.
Für eine einheitliche Entscheidungszuständigkeit spreche ferner der Beschluss des BGH vom 10.2.2002 - X ARZ 208/02.
Die Klage sei auch begründet. Der Widerruf sei fristgemäß und wirksam erfolgt, weil die Widerrufsfrist ...