Leitsatz (amtlich)
1. Wird in einer Einladung zu einer Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft unterschiedslos entgegen § 135 Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG für alle Stimmrechtsvertreter eine schriftliche Vollmacht verlangt, liegt ein Gesetzesverstoß vor. § 135 Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG stellt keine bloße Ordnungsvorschrift dar (gegen OLG München, Beschl. v. 3.9.2008 - 7 W 1775/08, ZIP 2008, 2117).
2. Der Verstoß gegen § 135 Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG führt nicht zur Nichtigkeit der in der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse nach § 241 Nr. 1 AktG i.V.m. § 121 Abs. 3 AktG. Angaben zur Erteilung der Vollmacht gehören nicht zu den Modalitäten, die nach § 121 Abs. 3 AktG in die Einberufung aufzunehmen sind (gegen OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.7.2008 - 5 W 15/08, ZIP 2008, 1722).
3. In dem unterschiedslosen Verlangen einer schriftlichen Vollmacht liegt auch kein zur Anfechtbarkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 243 Abs. 1 AktG führender Verfahrensverstoß. Es fehlt an der Relevanz des Verfahrensverstoßes für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 03.02.2009; Aktenzeichen 98 O 69/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 3.2.2009 verkündete Urteil des LG Berlin - Kammer für Handelssachen 98, Geschäftsnummer 98 O 69/08 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten sowie der Streithelfer durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, deren Geschäftsgegenstand u.a. die Betreuung des Freiverkehrs an deutschen Börsen als Makler ist. Die Streithelfer zu 1) bis 4), die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten sind, sind Aktionäre der Beklagten.
Mit Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 5.5.2008 sprach die Beklagte eine Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung am 20.6.2008 aus. In der Einladung heißt es unter der Überschrift "Stimmrechtsausübung durch Bevollmächtigte" u.a.:
"Die Aktionäre werden darauf hingewiesen, dass ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung durch einen Bevollmächtigten, auch durch ein Kreditinstitut oder eine Vereinigung von Aktionären ausgeübt werden kann. Die Vollmacht ist schriftlich zu erteilen ..."
Die Satzung der Beklagten enthält keine Bestimmungen über eine Vertretung von Aktionären auf Hauptversammlungen.
In der Hauptversammlung am 20.6.2008 wurde zum Tagesordnungspunkt 4 der Beschluss über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2007 gefasst.
Der Kläger ließ sich bei der Hauptversammlung durch Herrn K. vertreten. Dieser legte für ihn gegen den festgestellten Beschluss bereits vor Durchführung der Abstimmung Widerspruch ein.
Der Kläger hat behauptet, er habe bereits vor Bekanntmachung der Tagesordnung Aktien der Beklagten gehalten. Er hat die Meinung vertreten, der Beschluss zu TOP 4 sei gem. § 241 Nr. 1 AktG i.V.m. §§ 121 Abs. 3, 135 AktG nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. Obwohl die Vollmacht, die einem Kreditinstitut oder einer der in § 135 Abs. 9 AktG und § 135 Abs. 12 i.V.m. § 125 Abs. 5 AktG genannten Vereinigungen erteilt werde, nicht der Schriftform bedürfe, sei nach der Formulierung in der Einladung zur Hauptversammlung der Beklagten die Schriftform auch für Kreditinstitute oder die genannten Personenvereinigungen erforderlich. Demgemäß seien die Bedingungen für die Stimmrechtsausübung aus fremden Aktien durch ein Kreditinstitut, eine Aktionärsvereinigung oder entsprechende Vereinigung nicht in einer dem Gesetz entsprechenden Weise angegeben worden.
Der Kläger hat beantragt, den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten zu TOP 4 vom 20.6.2008 "Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2007" für nichtig zu erklären, hilfsweise festzustellen, dass der vorstehend benannte Beschluss nichtig ist.
Die Beklagte und die Streithelfer zu 2) und zu 4) haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Einberufung zur Hauptversammlung sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Formulierung zur Schriftlichkeit der Vollmacht beziehe sich nicht auf Kreditinstitute und geschäftsmäßig Handelnde i.S.v. § 135 Abs. 9 AktG. Zudem stimme die beanstandete Passage jedenfalls mit der Wirklichkeit überein. Selbst wenn ein Einberufungsmangel bestünde, sein dieser als so geringfügig anzusehen, dass er die Nichtigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse nicht herbeiführen könne. Auch liege eine unzulässige Rechtsausübung durch den Kläger vor.
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 3.2.2009, dem Kläger zugestellt am 24.2.2009, abgewiesen.
Es hält den Beschluss weder für nichtig, noch für anfechtbar. Der Besc...