Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.07.2016; Aktenzeichen 16 O 471/15) |
Tenor
A. Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. Juli 2016 verkündete Urteil der Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin - 16 O 471/15 - geändert:
I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern,
zu unterlassen,
im Rahmen geschäftlicher Handlungen Verbrauchern im Internet
1. vorverpackte Lebensmittel zum Kauf anzubieten, ohne die Verbraucher, bevor sie Ihre Bestellung auf der Internetseite absenden, über Firma und Anschrift des Unternehmens, unter dessen Firma das Produkt vermarktet wird, zu informieren,
und/oder
2. vorverpackte Schokoladenriegel, vorverpackte Kartoffel-Chips, vorverpackten Meerrettich und/oder vorverpackte Tiefkühl-Fertig-Pizza zum Kauf anzubieten, ohne, die Verbraucher, bevor sie Ihre Bestellung auf der Internetseite absenden, über das Zutatenverzeichnis und die in dem Produkt enthaltenen Allergene zu informieren,
und/oder
3. vorverpackten Meerrettich und/oder vor verpackte Tiefkühl-Fertig-Pizza zum Kauf anzubieten, ohne die Verbraucher, bevor sie ihre Bestellung auf der Internetseite absenden, über die Aufbewahrungsbedingungen und den Verzehrzeitraum zu informieren,
wenn dies geschieht wie in Anlage K1, K2, K4 oder K5 wiedergegeben:
((Abbildungen))
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2015 zu zahlen.
B. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
C. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung (hinsichtlich der Unterlassungen in A I 1 bis 3 in Höhe von 25.000 EUR und im Übrigen in Höhe des vollstreckbaren Betrages) abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit (hinsichtlich der Unterlassung A I 1 bis 3 in Höhe von jeweils 8.330 EUR und im Übrigen in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages) leistet.
D. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger (Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände) nimmt die einen Lieferservice für Lebensmittel betreibende Beklagte wegen Verletzung von Informationspflichten für Lebensmittel im Fernabsatz wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch.
Bei dem Lieferservice der Beklagten kann sich der Kunde zunächst im Internet unter www.bringmeister.de die gewünschten Lebensmittel selbst zusammenstellen. Die Lieferung erfolgt auf Grundlage der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten (Anlage K 3). Gemäß § 2 dieser AGB stellt die Darstellung der Artikel im Online-Portal der Beklagten kein rechtlich verbindliches Angebot dar. Auch die vom Kunden aufgegebene "Bestellung" ist danach noch kein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags. Dieser kommt danach nur zustande, wenn der Kunde bei der Anlieferung entscheidet, die von ihm (vor-) ausgewählte Ware ganz oder teilweise abzunehmen (§ 2 Abs. 2 bis Abs. 5 AGB). Die Beklagte erhebt bereits für die Auslieferung der Waren Liefergebühren, und zwar unabhängig davon, ob der Kunde sich bei Anlieferung für den Erwerb von Waren entscheidet (§ 5 Abs. 3 AGB).
Die Beklagte bot am 10. September 2015 verschiedene vorverpackte Lebensmittel an (Schokoladenriegel, Kartoffel-Chips, Meerrettich, Tiefkühl-Fertig-Pizza), ohne dabei im Rahmen ihres Produktangebots im Internet die nach der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIV) bestehenden Informationspflichten - insbesondere die in Art. 14 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 9 Abs. 1 lit. b (Verzeichnis der Zutaten), lit. c (Hinweis auf die im Produkt enthaltenen Stoffe oder Erzeugnisse, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen), lit. g (besondere Anweisungen für Aufbewahrung und den Verzehrzeitraum), lit. h (Angabe der Firma und Anschrift des Lebensmittelunternehmers) LMIV geregelten Pflichten - vollständig zu erfüllen.
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 30. September 2015 vergeblich ab.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die genannten Informationen und Hinweise hätte die Beklagte bereits auf ihrem Internetauftritt vorhalten müssen, bevor der Kunde seine dortige "Bestellung" durch Anklicken des Buttons mit der Aufschrift "Jetzt bestellen" abschließe. Die genannte Pflicht entfalle auch nicht deswegen, weil nach den AGB der Beklagten der Vertragsschluss nicht auf elektronischem Wege, sondern an der Haustür erfolgen solle. Denn dem Schutzzweck der Informationspflichten nach der LMIV werde es nicht gerecht, wenn der Verbraucher die zu vermittelnden Informationen nur in der Weise erhalte, dass er sich bei der Übergabe an der Haustür die einzelnen Produktverpackungen detailliert anschauen könne. Die relevante Auswahlentscheidung träfen die Verbraucher bereits ...