Leitsatz (amtlich)
Die zur Bestellung als (Anwalts-)Notar erforderliche persönliche Eignung erfordert nicht nur eine fachliche, sondern auch eine persönliche Unabhängigkeit des Bewerbers um eine Notarstelle. Ein bei anderen Rechtsanwälten im Angestelltenverhältnis beschäftigter Rechtsanwalt besitzt diese persönliche Unabhängigkeit regelmäßig nicht. Daran ändert es nichts, wenn der angestellte Rechtsanwalt bereits eine herausgehobene Stellung erlangt hat (hier sog. "Counsel").
Normenkette
BGB § 611a; BNotO §§ 1, 5, 8-9, 14, 27-28, 56; BRAO §§ 1-2, 46; GewO § 106; GG Art. 12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 vom Hundert abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags zuzüglich 10 vom Hundert leistet.
Tatbestand
Der am 1. August 1978 geborene Kläger legte im Jahr 2006 die zweite juristische Staatsprüfung mit der Note "vollbefriedigend" (11,15 Punkte) ab. Im April 2007 wurde er in Berlin als Rechtsanwalt zugelassen.
Aufgrund der Vereinbarung vom 20./23. April 2007 (Blatt 43-45 Verwaltungsvorgang der Beklagten 3835 E-G xx/20 KG, im Folgenden: VV) wurde er bei xxx Partnerschaft von Rechtsanwälten (im Folgenden: xxx) zum 1. Mai 2007 als Rechtsanwalt in Berlin eingestellt. Seit dem 1. Januar 2014 ist der Kläger dort mit dem Status eines "Counsel" tätig. Neben Regelungen zu einem jährlichen Festgehalt und möglicher Bonuszahlungen heißt es in dem von dem Kläger angenommenen Angebot von xxx vom 14. Februar 2014 wörtlich:
"Das Anstellungsverhältnis ist mit dreimonatiger Frist zum Quartalsende kündbar. Mit Vollendung Ihres 60. Lebensjahres endet das Angestelltenverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Drei Jahre vor diesem Zeitpunkt werden wir Sie um eine schriftliche Bestätigung bitten.
Die sonstigen Bedingungen Ihres Anstellungsverhältnisses bleiben unverändert."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 46 und 47 VV verwiesen.
Am 15. Februar 2020 bestand der Kläger die notarielle Fachprüfung mit der Note "vollbefriedigend" (9,28 Punkte).
Mit Schreiben vom 25. November 2020 bewarb er sich um eine der im Amtsblatt für Berlin vom 16. Oktober 2020 (ABl. S. 5248) ausgeschriebenen 157 Notarstellen für Bewerberinnen und Bewerber mit zweiter juristischer Staatsprüfung. In dem beigefügten Fragebogen erklärte der Kläger seine Bereitschaft, "mit dem Notaramt unvereinbare berufliche Verbindungen, Gesellschaftsbeteiligungen oder ähnliche Umstände für den Fall meiner Notarbestellung aufzugeben (§ 14 BNotO)".
Unter dem 25. Januar 2021 vereinbarte der Kläger im Hinblick auf seine Bewerbung als Notar mit xxx ergänzende Regelungen zu dem "Counsel-Vertrag" vom 14. Februar 2014. Darin heißt es wörtlich:
"1. Im Falle seiner Bestellung zum Notar ist Herr xxx berechtigt, das Notaramt unabhängig und frei von arbeitsrechtlichen Weisungen auszuüben. Er bleibt bei xxx als Rechtsanwalt tätig und führt seine Notarstelle in den Geschäftsräumen der Sozietät in Berlin.
2. Herr xxx ist insbesondere berechtigt, im Rahmen der berufsrechtlichen Vorgaben frei über die Annahme von Notariatsmandaten zu entscheiden.
3. xxx wird auch im Hinblick auf die anwaltliche Tätigkeit von Herrn xxx keine arbeitsrechtlichen Weisungen - etwa Weisungen zur Bearbeitung anderer Mandate - erteilen, soweit die Weisungen die notarielle Amtsausübung beeinträchtigen würden.
4. xxx und Herr xxx verpflichten sich, auch im Übrigen alles Erforderliche zu veranlassen, um die persönliche und eigenverantwortliche Amtsführung, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als Notar sicherzustellen."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K4 zum Schriftsatz vom 21. Juli 2023 verwiesen.
In der Folgezeit tauschten die Parteien ihre unterschiedlichen Ansichten über das Erfordernis einer Änderung der rechtlichen Beziehungen des Klägers zu xxx aus. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben des Beklagten vom 22. Oktober 2021 (Bl. 29-30 VV), 16. Juni 2022 (Bl. 85-90 VV), 19. Juli 2022 (Bl. 91 VV), 6. September 2022 (Bl. 108-110 VV), 31. Oktober 2022 (Bl. 138-142 VV) und 16. Dezember 2022 (Bl. 152-153 VV) sowie des Klägers vom 5. November 2021 (Bl. 34-35 VV), 4. August 2022 (Bl. 98-103 VV), 4. Oktober 2022 (Bl. 116-117 VV), 1. Dezember 2022 (Bl. 146-148 VV) und vom 2. Februar 2023 (Bl. 156 VV) verwiesen.
Am 16. März 2023 bestellte der Beklagte den Kläger vom 1. April 2023 bis zum 31. März 2024 zum Verwalter für das Notariat xxx.
Mit dem an den Kläger am 20. März 2023 zugestellten Bescheid vom 28. Februar 2023 hat der Beklagte mitgeteilt, dass die Bewerbung des Klägers um eine der ausgeschriebenen 157 Notarstellen nicht berücksichtigt werde, weil er für das Notaramt persönlich nicht geeignet sei. Die Art seiner Berufsausübung als angestellter Rechtsanwalt bei xxx stehe einer Bestellung zum Notar entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf de...