Leitsatz (amtlich)
Zur Feststellung der Wirksamkeit einer Vorstandswahl in einem Verein.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 28.02.2007; Aktenzeichen 23 O 211/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.2.2007 - 23 O 211/06 - verkündete Urteil des LG Berlin teilweise abgeändert:
Das Versäumnisurteil des LG Berlin vom 8.2.2006 - 23 O 211/06 - wird teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagten seit dem 2.3.2005 nicht mehr Vorstände des Unterbezirks L. des Klägers sind.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger das Vereinshaus des Unterbezirks L. des Klägers in der G., Berlin, nebst allen Schlüsseln herauszugeben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger vorab die durch die Säumnis im Termin vor dem LG Berlin vom 8.11.2006 entstandenen Kosten zu tragen. Die übrigen Kosten (beider Rechtszüge) haben der Kläger zu 20 % und die Beklagten zu 80 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(Auf die Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO verzichtet.)
Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Die Klage ist hinsichtlich der Anträge zu Ziff. 1. (Feststellungsantrag) und zu Ziff. 2. Buchst. a) [Herausgabeantrag] des Schriftsatzes vom 30.7.2007 zulässig und begründet. Der im Übrigen - nach teilweiser Rücknahme - noch verbliebene Herausgabeantrag zu Ziff. 2 Buchst. c) des vorbezeichneten Schriftsatzes ist unzulässig.
I.1. Der Antrag (zu Ziff. 1.) festzustellen, dass die Beklagten seit dem 2.3.2005 nicht mehr Vorstände des Unterbezirks L des Klägers sind, ist zulässig. Insofern kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem nunmehr um einen konkreten Zeitpunkt ergänzten Antrag um eine Klageänderung i.S.d. § 533 ZPO handelt. Eine solche ist jedenfalls zulässig, da die Zulassung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen, mithin sachdienlich ist (vgl. Gummer/Heßler in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 533 ZPO, Rz. 6).
2. Die Klage ist insofern auch begründet. Gemäß dem Antrag des Klägers war festzustellen, dass die Beklagten seit dem 2.3.2005 nicht mehr Vorstände des Unterbezirks L des Klägers sind.
a) Unstreitig endete die Amtszeit der für die Dauer von vier Jahren (§ 9 Satz 2 der Satzung) gewählten Beklagten als Unterbezirksvorstand L am 2.3.2005, da diese in der Mitgliederversammlung am 2.3.2001 gewählt worden waren.
b) Entgegen der Auffassung des LG sind die Beklagten nicht auf der Mitgliederversammlung vom 7.4.2006 wirksam gem. §§ 10 Abs. 1, 9 Abs. 1 der Satzung gewählt worden, da der Kläger zuvor von seinem verbindlichen Einspruchsrecht gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 der Satzung mit Schreiben vom 16.11.2005 (Anlage K 2 zur Klageschrift vom 13.6.2006) hinsichtlich der Wahl der Beklagten Gebrauch gemacht hat und dementsprechend mit der Wahl der Beklagten gegen Satzungsbestimmungen des Vereins verstoßen worden ist. Wirksame Beschlussfassung der Mitgliederversammlung setzt die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und die Beachtung der Satzungsbestimmungen des Vereins voraus. Beschlüsse, die unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder - wie hier - zwingende Satzungsbestimmungen gefasst sind, sind nichtig (vgl. Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Aufl. 2004, S. 323, Rz. 580; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 11. Aufl. 2007, S. 337, Rz. 1828; BGH, Urt. v. 9.11.1972 - II ZR 63/71, BGHZ 59, 369/373 = NJW 1973, 235; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.12.1984 - 9 U 107/83, WM 1985, 1466/1474).
(1.) § 9 Abs. 1 Satz 3 der Satzung des Klägers ist - ausgehend von ihrem objektiven Erklärungswert bzw. ihrem Inhalt nach - dahingehend auszulegen, dass dem Bezirksvorstand hinsichtlich der Wahl des Unterbezirksvorstands durch die Mitgliederversammlung ein bindendes und zwingend zu beachtendes Einspruchsrecht zusteht, dass bei vorheriger Ausübung zur Nichtwählbarkeit der entsprechenden Personen bzw. Unwirksamkeit der Wahl führt. Das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" bedarf es insofern nicht.
Eine Satzung ist nach objektiven Gesichtspunkten und aus ihrem Inhalt heraus auszulegen (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1991 - II ZR 144/90, BGHZ 113, 237, 240; BayObLG, Beschl. v. 14.9.2001 - 3Z BR 290/01, NJW-RR 2002, 456; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.12.1984 - 9 U 107/83, WM 1985, 1466/1474; Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 11. Aufl. 2007, S. 86, Rz. 400; Stöber, Handbuch zum Vereinsrecht, 9. Aufl. 2004, S. 27; Schwarz/Schöpflin in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2007, § 25 BGB, Rz. 14). Denn die Satzung enthält objektives Recht, da sie nicht nur für die gegenwärtigen Vereinsmitglieder, sondern auch für künftige Mitglieder und u.U. für Vereinsgläubiger etc. von Bedeutung ist. Deshalb muss sie, soweit sie formelle und materielle korporationsrechtliche Bestandteile hat, nach ihrem o...