Normenkette
StVG § 17; StVO § 38
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 489/99) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 15.6.2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin – 24 O 489/99 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Berufung des Beklagten hat i.E. keinen Erfolg.
1. Im Ergebnis zutreffend ist die Annahme des LG, dass die Mithaftung des Klägers jedenfalls 50 % nicht übersteigt.
a) Dem LG ist darin zuzustimmen, dass der Beklagte nicht den Beweis dafür erbracht hat, dass der Zeuge B. als Fahrer des Polizeifahrzeugs die besonderen Sorgfaltspflichten eines Sonderrechtsfahrers bei Einfahren in eine durch Rotlicht gesperrte Kreuzung beachtet hat.
aa) Ohne Erfolg wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung dagegen, dass das LG die Aussagen der Zeugen B. und M. zur Fahrweise des Zeugen B. vor dem Unfall als widerlegt angesehen hat.
Auch wenn der Kläger, wie der Beklagte mit der Berufung geltend macht, vor dem Unfall langsamer als 50 km/h gefahren sein sollte, würde dies nichts daran ändern, dass die Aussagen der Zeugen B. und M., wonach der Kläger mit seinem Fahrzeug gegen das stehende Polizeifahrzeug geschleudert sei, nicht glaubhaft sind. Dabei kann dahinstehen, ob bei einer deutlich geringeren Geschwindigkeit als 50 km/h, etwa bei den nunmehr vom Beklagten zugrunde gelegten 32 km/h, ein Aufschaukeln und Schleudern des klägerischen Fahrzeugs überhaupt denkbar ist.
Zwar mag es sein, dass die Entfernung, die das klägerische Fahrzeug zurücklegen musste, um einer geringeren Geschwindigkeit als 50 km/h nach einer Ausweichbewegung nach rechts wieder in die ursprüngliche Fahrspur zurückzugelangen, geringer ist als die vom Sachverständigen zugrunde gelegten 80 m. Es ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass nach dem übereinstimmenden Parteivorbringen, das i.Ü. von dem Zeugen B. bestätigt wurde, in der aus Sicht des Klägers rechts gelegenen Fahrspur der Gr.-Straße vor der Kreuzung Rechtsabbieger hielten. Eine deutliche Ausweichbewegung nach rechts, wie sie sich aus den Prinzipskizzen Bl. 8–10 des Gutachtens W. ergibt, konnte also frühestens zum Zeitpunkt erfolgen, als der Kläger bereits in den Kreuzungsbereich eingefahren war. Anderenfalls wäre der Kläger bei seiner Ausweichbewegung nach rechts gegen eines der rechts von ihm haltenden Fahrzeuge gestoßen. Daraus folgt, dass die Unfalldarstellung der Zeugen M. und B. selbst dann nicht zutreffen könnte, wenn der Ort der Reaktionssaufforderung für den Kläger, entgegen der Annahme des Sachverständigen W., nur 40 oder sogar nur 30 m vor dem späteren Kollisionsort gelegen hätte. Dies folgt aus den Prinzipskizzen Nr. 8 und 9 zum Gutachten W. Auch in diesem Fall wäre das Klägerfahrzeug erst deutlich hinter dem tatsächlichen Kollisionsort wieder nach links in die ursprüngliche Fahrspur gelangt. Im Übrigen hat der „neutrale” Zeuge S., den auch das LG als glaubwürdig angesehen hat, ausgesagt, das Polizeifahrzeug habe sich zum Unfallzeitpunkt in Bewegung befunden. Zwar mag die Geschwindigkeitsschätzung des Zeugen S. (50–60 km/h) unter den gegebenen Umständen (sich bei Dunkelheit im Querverkehr näherndes Fahrzeug) sehr ungenau und nicht zwingend richtig sein (vgl. KG, Urt. v. 13.8.1998 – 12 U 1760/97; KG, Urt. v. 22.11.1999 – 12 U 4322/98; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 3 StVO Rz. 63 zu Geschwindigkeitsschätzungen von Zeugen); zweifelsfrei ist dem Zeugen jedoch die Beobachtung zu glauben, dass sich das Polizeifahrzeug bewegt hat.
Soweit der Beklagte meint, die Beschädigung beider vorderer Fahrtrichtungsanzeiger am Beklagtenfahrzeug sei nur mit der Unfalldarstellung des Beklagten vereinbar, kann dem nicht gefolgt werden. Wie sich aus dem Bild 10 zum Sachverständigengutachten W. ergibt, befinden sich die beiden Blinker am VW Vento im vorderen Stoßfänger. Der Senat, der sich geschäftsplanmäßig mit der Bearbeitung von Verkehrsunfallsachen befasst, verfügt über hinreichend eigene Sachkunde, um beurteilen zu können, dass bei einem frontalen Zusammenstoß im Winkel von 90 °, wenn nur die Ausgangsgeschwindigkeit des VW hoch genug ist, beide vorderen Fahrtrichtungsanzeiger beschädigt werden können.
bb) Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass das LG keine Feststellungen bezüglich der Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs gemacht hat, obwohl es in dem Hinweisbeschluss vom 1.3.2000 erkannt hatte, dass es für die Höhe der Mithaftung des Sonderrechtsfahrzeugs entscheidend darauf ankommt, in welchem Umfang der Fahrer des Einsatzfahrzeugs seine Sorgfaltspflichten verletzt hat, d.h. insb., mit welcher Geschwindigkeit er gefahren ist. Allein aufgrund der aus den vorliegenden Fotos ersichtlichen Schäden am Fahrzeug des Klägers sowie unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen S. erscheint es kaum als möglich, ohne Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens zuverlässige Feststellungen über die Geschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs zu treffen.
b) Es kommt auf die oben genannten Zweifelsfragen jed...