Leitsatz (amtlich)

1. Für die tierärztliche Behandlung gelten nicht die im Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze.

2. Die Aufklärung dient daher nicht als Voraussetzung einer wirksamen, die Rechtswidrigkeit des ärztlichen Eingriffs ausschließenden Einwilligung, weshalb aus dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflichtverletzung des Tierarztes nur vertragliche Schadenersatzansprüche in Betracht kommen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 30.12.2003; Aktenzeichen 6 O 61/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 30.12.2003 verkündete Grundurteil der Zivilkammer 6 des LG Berlin geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet.

Die Klage ist unbegründet, weil der Klägerin Schadenersatzansprüche gegen den Beklagten schon dem Grunde nach nicht zustehen.

1. Es besteht - entgegen der nicht näher begründeten Annahme des LG - kein Anspruch aus unerlaubter Handlung gem. §§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB schon wegen einer zur Rechtswidrigkeit der tierärztlichen Behandlung führenden Aufklärungspflichtverletzung. Für die tierärztliche Behandlung gelten nicht die im Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze. Dementsprechend dient die Aufklärung nicht als Voraussetzung einer wirksamen, die Rechtswidrigkeit des ärztlichen Eingriffs ausschließenden Einwilligung, weshalb aus dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflichtverletzung des Tierarztes nur vertragliche Schadenersatzansprüche in Betracht kommen. Das Erfordernis der Einwilligungsaufklärung ist im Bereich der ärztlichen Behandlung von Menschen aufgrund des aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgenden Selbstbestimmungsrechts des Patienten entwickelt worden. Diese rechtliche Herleitung ist für die tierärztliche Behandlung ersichtlich nicht übertragbar, denn auch wenn Tiere keine Sachen sind, so sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 90a BGB) und Haftungsgrundlage ist die Eigentumsverletzung, sodass das wirtschaftliche Interesse des Tiereigentümers und nicht ein wie auch immer geartetes Selbstbestimmungsrecht durch die Aufklärung geschützt wird. Der Schadenersatzanspruch ist daher wegen einer schuldhaften Verletzung der Beratungs- und Aufklärungspflicht, die dem wirtschaftlichen Interesse des Halters dient, allein aus sog. positiver Forderungsverletzung (§§ 280, 325 BGB a.F. analog; jetzt § 280 BGB n.F.) ableitbar. Das Handeln im Rahmen des erteilten Auftrages des Tiereigentümers genügt daher regelmäßig unabhängig von einer Risikoaufklärung zur Rechtfertigung des tierärztlichen Eingriffs (Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 823 Rz. 252 - "Tierarzt"; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 823 Rz. 773; BGH v. 18.3.1980 - VI ZR 39/79, MDR 1980, 661 = NJW 1980, 1904 f. = MDR 1980, 661; v. 19.1.1982 - VI ZR 281/79, MDR 1982, 568 = NJW 1982, 1327; OLG Celle v. 21.12.1988 - 1 U 29/88, NJW-RR 1989, 539 [540]).

2. Die Voraussetzungen eines vertraglichen Schadenersatzanspruchs aus sog. positiver Forderungsverletzung (§§ 280, 325 BGB a.F. analog) des Behandlungsvertrages (§§ 611 ff. BGB; vgl. BGH NJW 1980, 1904 f. zu II. 1.a) + c) und BGH vom 19.1.1982 (BGH v. 19.1.1982 - VI ZR 281/79, MDR 1982, 568 = NJW 1982, 1327, zu II.1.), wonach die Behandlung geschuldet ist, (der Tierarztvertrag ist entgegen: OLG Karlsruhe MDR 1982, 699, daher nicht Werkvertrag) hat die Klägerin hinsichtlich der Aufklärungspflichtverletzung nicht beweisen können. Da die Grundsätze der Einwilligungsaufklärung nicht gelten, ist es - wie auch sonst - Sache der Klägerin, die Vertragspflichtverletzung sowie deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden zu beweisen, wobei die Darlegungslast hinsichtlich der Aufklärung dahin eingeschränkt ist, dass sie konkreten Vortrag des Beklagten zu widerlegen hat.

a) Es kann dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte die Klägerin über das Risiko eines Darmvorfalls hätte aufklären müssen. Nach den Äußerungen des Gutachters wird nicht hinreichend deutlich, ob und ggf. weshalb diese Möglichkeit als typisches Operationsrisiko zu werten ist oder ob es sich eher um ein allgemeines Risiko handelt, das unabhängig von der Operation allein durch das Aufstehen besteht. Eine nähere Aufklärung durch das LG ist insoweit nicht erfolgt. Dass ein Darmvorfall eine Nachoperation erfordert, brauchte der Beklagte - entgegen der Auffassung des LG - nicht ungefragt mitzuteilen, weil dies als allgemein bekannt vorausgesetzt werden darf. Im Übrigen gelten für die Aufklärung inhaltlich nicht die strengen Anforderungen der Humanmedizin (BGH v. 18.3.1980 - VI ZR 39/79, MDR 1980, 661 = NJW 1980, 1904, wobei dort der aufgestellte Grundsatz i.E. aber nicht recht erkennbar wird).

b) Die - widerlegungs- und beweispflichtige - Klägerin hat jedoch den näheren Vortrag des Beklagten, er habe über das Risiko e...

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