Leitsatz (amtlich)
1. Erscheint der beim Prozessbevollmächtigten des Versicherungsnehmers zuständige sachbearbeitende Rechtsanwalt nicht persönlich zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung, um sich in einer § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG und § 353d Nr. 2 StGB genügenden Weise zur Geheimhaltung verpflichten zu lassen, ist dem Versicherer die von ihm grundsätzlich im Rahmen der sekundären Darlegungslast geforderte Darlegung der Grundlagen seiner Limitierungsentscheidung nicht zumutbar.
2. Das Angebot eines Versicherungsnehmers und seines Prozessbevollmächtigten, eine vertragsstrafenbewehrte Selbstverpflichtungserklärung abzugeben, kann den gesetzlich vorgesehenen Weg zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gemäß §§ 172 Nr. 2, 174 Nr. 3 Satz 1 GVG nicht ersetzen.
3. Ist im Einzelfall die sekundäre Darlegungslast des Versicherers so eingeschränkt, dass seine Darlegungen den Versicherungsnehmer nicht in die Lage versetzen, die behaupteten Verstöße einer Limitierungsentscheidung gegen die sich aus § 155 Abs. 2 VAG ergebenden materiellen Maßstäbe konkret darzulegen, ist es der Versicherungsnehmer, der seine Darlegungslast nicht erfüllt.
Normenkette
GVG § 172 Nr. 2, § 174 Abs. 3; VAG § 155 Abs. 2; VVG § 203 Abs. 2, 5
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 17.04.2023; Aktenzeichen 2 O 165/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17.04.2023 - 2 O 165/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Berlin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 2 ZPO wird entsprechend § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht vollumfänglich abgewiesen. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.
Ergänzend gilt Folgendes:
1. Hinsichtlich der mit dem Berufungsantrag zu 2) nur noch für die Vergangenheit weiterverfolgten Anträge auf Feststellung der Unwirksamkeit von Beitragsanpassungen in verschiedenen Tarifen zum 01.01.2014, 01.01.2015, 01.01.2016 und 01.01.2017 - (nur) insoweit ist die Berufung beschränkt - ist die Klage bereits unzulässig. Es fehlt insoweit an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Denn die Klägerin und ihre Ehefrau sind in diesen Tarifen nicht mehr versichert; etwaige diesbezügliche Ansprüche auf Rückgewähr von Prämienanteilen können vollständig beziffert und im Wege der Leistungsklage verfolgt werden.
Die Klage ist insoweit auch nicht als Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Nach dieser Vorschrift können die Parteien beantragen, dass ein im Lauf des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage ist damit die sogenannte Vorgreiflichkeit des Rechtsverhältnisses, dessen Feststellung beantragt wird. Daran fehlt es, wenn die Klage zur Hauptsache unabhängig davon abgewiesen wird, ob das Rechtsverhältnis besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - IV ZR 420/22 -, juris Rn. 15 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Insbesondere hängt die Entscheidung über den mit dem Berufungsantrag zu 3) weiterverfolgten Zahlungsantrag nicht von der Wirksamkeit der Prämienanpassungen ab, die Gegenstand des mit dem Berufungsantrag zu 2) weiterverfolgten Feststellungsantrags sind. Vielmehr kann die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Prämienanpassungen zum 01.01.2014, 01.01.2015, 01.01.2016 und 01.01.2017 bei der Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Rückgewähr von Prämienanteilen dahinstehen. Denn dieser ist insoweit jedenfalls verjährt.
Unstreitig hat die Klägerin zuletzt im Jahr 2017 Prämien in den betroffenen Tarifen gezahlt. Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden, so dass die Frist für die letzten hier in Rede stehenden Zahlungen Ende 2020 ablief und nicht mehr durch die im Jahr 2022 eingereichte Klage gehemmt werden konnte. Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (dort S. 5 ff.), auf die Bezug genommen wird, und entgegen der Berufungsbegründung (dort S. 8 ff.) kommt es für den Verjährungsbeginn auf die Rechtskenntnis der Klägerin und auf eine Klärung der Rechtslage über die Wirksamkeitserfordernisse von Prämienanpassungen durch den Bundesgerichtshof gerade nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2021 - IV ZR 113/20 -, NJW 2022, 389 Rn. 40 ff.).
So...