Leitsatz (amtlich)
1. Mit dem Bezug von Altersruhegeld erlischt die Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung auch dann, wenn der Versicherungsnehmer weiterhin in erheblichem Ausmaß selbständig tätig ist.
2. Ein Anspruch auf Feststellung, dass der Krankenversicherer seine Pflicht zur Beitragsstabilisierung verletzt hat, setzt die Darlegung konkreter Verdachtsmomente voraus; eine Verpflichtung des Versicherers, im Rahmen der sekundären Darlegungslast seine Kalkulationsgrundsätze offenzulegen und die Höhe der Abzüge mitzuteilen, besteht nicht.
3. Die Wirksamkeit einer auf eine Neukalkulation der Beiträge gestützten Beitragserhöhung beurteilt sich allein nach versicherungsmathematischen Grundsätzen; die allgemeine Steigerung der Gesundheitskosten in Deutschland oder die Inflationsentwicklung im maßgeblichen Zeitraum ist hierfür ohne Belang.
4. Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für eine nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Limitierungsentscheidung (Anschluss BGH, Urteil vom 20.03.2024 - IV ZR 68/22).
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1868/21) |
Tenor
I. 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 18.10.2022 - 8 O 1868/21 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 9.867,17 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der am 30.09.1955 geborene Kläger schloss zum 01.10.1992 bei der Beklagten einen Vertrag über die Ergänzungstarife AZ und TK 50 zur Krankenversicherung ab (Anlage B10). Am 02.02.1995 beantragte er den Abschluss einer Kranken- und Krankentagegeldversicherung . Die Beklagte unterbreitete ihm am 04.05.1995 ein Angebot, auf dessen Grundlage zum 01.08.1995 eine Kranken- und Krankentagegeldversicherung in den Tarifen BSS und TG 43 S/150 zustande kam (Anlage B11). Die Beklagte übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 02.06.1995 (Anlage B12) unter Hinweis auf ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen den Versicherungsschein. Als Anlagen sind in dem Schreiben die MB/KT 94, MB/PPV und die Tarifbedingungen BSS, TG, BSZ, PV genannt. Die Übersendung der Versicherungsbedingungen an den Kläger ist streitig. Zum 01.01.2008 erfolgte eine Tarifänderung. Mit Schreiben vom 20.11.2020 (Anlagen B5 und K9) und vom 05.11.2021 (Anlage B9) informierte die Beklagte den Kläger über eine Beitragsänderung. Mit Schreiben vom 14.04.2021 (Anlage K2) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass mit dem Bezug von Altersrente ab dem 01.07.2021 die Versicherungsfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung entfällt. Der Kläger widersprach dem, weil er wegen seiner niedrigen Rente auch nach dem 01.07.2021 noch voll berufstätig sein werde (Anlage K3).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Anspruch auf Feststellung des Fortbestehens der Krankentagegeldversicherung über den 01.07.2021 hinaus zu. Die Beklagte könne sich insoweit nicht auf eine Beendigung diese Vertragsteils nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen beziehen, denn solche seien nicht einbezogen worden. Ihm seien keine Geschäftsbedingungen übersandt worden. Er habe diesen auch nicht zugestimmt. Eine Befristung der Krankentagegeldversicherung sei nicht vereinbart worden, auf den Bezug von Altersrente komme es nicht an. Die Prämienerhöhungen zum 01.01.2021 und 01.01.2022 seien unwirksam. Insbesondere handele es sich bei der Prämienerhöhung zum 01.01.2022 nicht um eine Aufhebung einer Limitierungsmaßnahme. Die Prämienerhöhungen seien formell und materiell unwirksam. Wegen der fehlenden Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen könne eine Erhöhung ohnehin nur bei einer Erhöhung der Leistungsausgaben um 10 % erfolgen. Die prozentuale Veränderung des auslösenden Faktors Versicherungsleistung liege aber - insoweit unstreitig - unter 10 %. Die Tarife seien schon bei Vertragsschluss zu niedrig kalkuliert worden. Die Gesundheitskosten seien überdies auch nicht um 5% gestiegen. Die Beklagte sei zudem verpflichtet, eine Altersrückstellung zur Verringerung der Beiträge im Alter zu berücksichtigen. Die Senkung sei nicht erfolgt, obwohl der Kläger das Rentenalter erreicht habe. Zudem sei der von der Beklagten eingesetzte Treuhänder nicht unabhängig. Es sei zudem zu bestreiten, dass dem Treuhänder bei der Prüfung sämtliche erforderlichen technischen Berechnungsgrundlagen einschließlich der kalkulatorischen Herleitungen und statistischen Nachweise vorgelegen hätten. Es werde auch bestritten, dass die Beklagte ihrer Pflicht zur Beitragsstabilisierung beim Kläger nachgekommen sei. Der Kläger habe einen Anspruch darauf, dass festgestellt werde, dass die Beklagte verpflichtet sei, die gesetzlich vorgeschr...