Leitsatz (amtlich)
1. Die formelle Rechtmäßigkeit einer Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung erfordert neben der Angabe der Rechnungsgrundlage die Mitteilung, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten ist. Ob die Abweichung sich im Rahmen eines tariflichen Schwellenwertes bewegt oder auch der gesetzliche Schwellenwert betroffen ist, braucht nicht angegeben zu werden.
2. Wird erstinstanzlich die Rüge der materiellen Unwirksamkeit einer Beitragsanpassung fallengelassen, kann im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten werden, dass der auslösende Faktor für eine Beitragsanpassung den maßgeblichen Schwellenwert überschritten hat.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2662/22) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.10.2023 wird aufgehoben.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.467,57 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
1. Die Klage ist zwar mit dem auf die Feststellung der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen gerichteten Antrag zulässig. Ein feststellungsfähiges gegenwärtiges Rechtsverhältnis liegt insoweit vor. Allein mit dem vom Kläger erstrebten Leistungsurteil auf Rückzahlung überzahlter Beiträge wäre nicht rechtskräftig festgestellt, dass er zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus den streitgegenständlichen Beitragsanpassungen ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20 -, Rn. 18 - 20, juris). Das Feststellungsinteresse ist auch nicht dadurch entfallen, dass etwaige Begründungsmängel der genannten Beitragsanpassungen zwischenzeitlich geheilt worden wären. Die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung ist vielmehr eine Vorfrage für den Leistungsantrag und geht zugleich über das dort erfasste Rechtsschutzziel des Klägers hinaus; sie ist deshalb auch als Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 17). Bei der Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO macht die Vorgreiflichkeit das sonst für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse entbehrlich (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 - IV ZR 148/20 -, Rn. 18 - 20, juris; BGH, Urteil vom 23. April 2013 - II ZR 74/12, BGHZ 197, 162 Rn. 29).
2. Allerdings hat der Kläger mit dem Feststellungsbegehren keinen Erfolg, weil sämtliche Beitragsanpassungen wirksam waren. Die Mitteilungen zur Beitragsanpassung im Tarif PNW zum 01.01.2017, (geltend gemacht für den unverjährten Zeitraum ab dem 01.01.2019), zum 01.01.2020, zum 01.01. 2021 - hier auch im Tarif PNZ - sowie zum 01.01.2022 genügten jeweils den formellen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16. Dezember 2020, Az. IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 - juris; Urteil vom 20. Oktober 2021, Az. IV ZR 148/20 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020, Az. IV ZR 294/16, Rdnr. 26 - juris). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern lediglich die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlagen, der Umfang der Überschreitung des Schwellenwerts oder die Angabe, ob sich der überschrittene Schwellenwert aus dem Gesetz oder den Versicherungsbedingungen ergibt, zur Information des Versicherungsnehmers nicht erforderl...