Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermutung des Handelns in verwerflicher Gesinnung
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 12 O 724/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.12.2000 verkündete Urteil des LG Berlin – 12 O 724/99 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision ist nicht zugelassen.
Gründe
A. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte ist zur Zahlung der verlangten Mieten verpflichtet.
1. Zu Recht gehen die Parteien davon aus, dass die Kläger die Ansprüche selbst geltend machen können. Nach dem abgeschlossenen Mietvertrag ist zwar die aus den Klägern bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts Vermieterin. Aber auch eine nunmehr angenommene Parteifähigkeit (vgl. dazu BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 = MDR 2001, 459) der Vermieterin schließt es nicht aus, dass an ihrer Stelle alle Gesellschafter klagen (so bereits KG GE 2001, 1131). Denn wenn man schon einzelnen Gesellschaftern ein eigenes schutzwürdiges Interesse für eine Klage der Ansprüche der Gesellschaft zuspricht, muss dies erst recht für eine Klage aller Gesellschafter gelten, weil diese auch die Geschicke der Gesellschaft bestimmen. Die Darlegung einer Notwendigkeit für eine Klage in gewillkürter Prozessstandschaft ist nicht zu verlangen. Einer Klage der einzelnen Gesellschafter stehen auch keine schützwürdigen Belange der Beklagten entgegen. Soweit sie obsiegt, steht ihr zur Vollstreckung ihrer Kostenerstattungsansprüche dann sogar nicht nur das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung, sie kann vielmehr mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss in das Vermögen der einzelnen Gesellschafter vollstrecken. In Falle der Klageabweisung muss sie auch nicht die nochmalige Inanspruchnahme durch die Gesellschaft selbst befürchten. Denn nimmt man eine Prozessfähigkeit der Gesellschaft selbst an, liegt in der Klage der Gesellschafter eine Klage in gewillkürter Prozessstandschaft. Für derartige Klage ist aber eine Rechtskrafterstreckung auf den Rechtsträger anerkannt (vgl. BGH v. 7.7.1993 – IV ZR 190/92, MDR 1993, 1009 = NJW 1993, 3072).
2. Die Beklagte ist auf Grund des abgeschlossenen Mietvertrages über die Gewerberäume in der R. Straße in B.H. nach § 535 S. 2 BGB zur Zahlung der Restmieten für September, Oktober und November 1999 sowie der Nettokaltmieten für die Zeit von Dezember 1999 bis März 2000 verpflichtet.
a) Der zwischen den Klägern als Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der Beklagten abgeschlossene Mietvertrag ist wirksam.
aa) Es liegt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Nichtigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB vor. Es fehlt bereits an den subjektiven Voraussetzungen des Wuchers. Die Beklagte ist insbesondere nicht als unerfahren i.S.d. Vorschrift anzusehen. Denn Unerfahrenheit ist ein Mangel an Lebens- und Geschäftserfahrung (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 138 Rz. 71). Die Annahme einer Unerfahrenheit ist zwar bei Bürgern der neuen Bundesländer jedenfalls kurze Zeit nach der Wende nicht ausgeschlossen gewesen (vgl. BGH, NJW 1994, 1476). Dies kann im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht zum Tragen kommen, weil der Mietvertrag erst am 20.3.1995 abgeschlossen worden ist und damit erst 4 1/2 Jahre nach der Wende. Berücksichtigt man weiter, dass die Beklagte nach ihrer Darstellung bereits zwei Einzelhandelsgeschäfte eröffnet und zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch betrieben hat, ist die Annahme eines Mangels an Lebens- und Geschäftserfahrung jedenfalls nach dem Sachvortrag der Parteien ausgeschlossen. Dass die Beklagte keine besonderen Kenntnisse über die Marktgegebenheiten hinsichtlich der Gewerbemieten besaß, ist für die Frage der Unerfahrenheit ohne Bedeutung (vgl. Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraumiete, 3. Aufl., II Rz. 700; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 138 Rz. 71). Die ergänzend in dem Schriftsatz vom 7.2.2002 angenommene Zwangslage der Beklagten wird nicht mit Tatsachen belegt. Eine fehlende Bereitschaft zur Verhandlung über den Vertragsinhalt rechtfertigt die Annahme einer Zwangslage auf Seiten der Beklagten jedenfalls nicht.
bb) Der Vertrag ist auch nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Eine Anwendung der Vorschrift ist allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB nicht gegeben sind. Die Regelungen sind vielmehr nebeneinander anwendbar (vgl. BGH WPM 1981, 404; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., II Rz. 698).
Es liegt aber kein wucherähnliches Geschäft vor. Insoweit kommt es auf ein besonders grobes Missverhältnis der vereinbarten Leistungen an. Ein derartiges Missverhältnis ist dabei entgegen der Auffassung der Beklagten im Gewerbemietrecht, wie das LG zu Recht ausführt, erst bei einem Abweichen der vereinbarten und der ortsüblichen Miete zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses um 100 % anzunehmen (allgemein dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 138 Rz. 34a). Der von der Beklagten ins Feld geführte Wert von 50 % gilt lediglich ...