Leitsatz (amtlich)

1. Ein Heimbetreiber ist nicht zu einer ständigen Beaufsichtigung eines im Rollstuhl sitzenden Heimbewohners verpflichtet, so dass ein Sturz aus dem Rollstuhl nicht automatisch eine Pflichtverletzung des Heimbetreibers begründet.

2. Der Heimbetreiber ist nicht von sich aus verpflichtet, auch nicht berechtigt, eine Fixierung eines Heimbewohners im Rollstuhl vorzunehmen, sondern kann sich zunächst mit einer Benachrichtigung des Betreuers begnügen und erwarten, dass der Betreuer das Notwendige veranlassen werde.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 07.01.2003; Aktenzeichen 4 O 337/02)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 7.1.2003 verkündete Urteil des LG Berlin (LG Berlin, Urt. v. 7.1.2003 - 4 O 337/02) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das angefochtene Urteil des LG beruht weder auf einer Rechtsverletzung gem. § 546 ZPO, noch rechtfertigen die gem. § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.

Das LG hat zutreffend erkannt, dass der Beklagten eine schuldhafte Pflichtverletzung des Heimvertrages gem. §§ 611, 276, 278 BGB oder eine unerlaubte Handlung gem. § 823 Abs. 1 BGB zu Lasten der Versicherten nicht vorgeworfen werden kann und die Klägerin keine Ansprüche aus übergegangenem Recht der Versicherten gem. § 116 Abs. 1 SGB-X gegen die Beklagte geltend machen kann.

Allerdings ist es nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt zutreffend, dass die Versicherte bis zu dem die behaupteten Ansprüche auslösenden Sturz am 15.5.2001 bereits am 9.4.2001 versucht hatte, allein aufzustehen, am 15.4.2001 liegend im Behinderten-WC vorgefunden wurde, am 20.4.2001 und 30.4.2001 bei dem Versuch alleine aufzustehen gestürzt ist und schließlich am 1.5.2001 außerhalb des Heimgeländes nach einem Sturz aus dem Rollstuhl vorgefunden wurde. Dies ergibt sich im Einzelnen aus der von der Beklagten inhaltlich nicht angegriffenen Anlage K 4.

Aus der vorgenannten Anlage und dem Vermerk v. 3.5.2001 ergibt sich auch, dass die Mitarbeiter der Beklagten einen veränderten Zustand der Versicherten durch deren zunehmende Mobilität und zeitweise Neigung, die Station zu verlassen erkannt haben und auch die damit verbundene Selbstgefährdung wahrgenommen und dokumentiert haben.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten bzw. der für sie handelnden Personen liegt jedoch nicht vor, da die Beklagte nicht zu einer ständigen Beaufsichtigung der Versicherten verpflichtet war und weitere Maßnahmen zur Fixierung der Versicherten nicht treffen konnte, sondern durch die Benachrichtigung des Betreuers das ihrerseits Erforderliche zugunsten der Versicherten unternommen hat.

Eine Pflichtverletzung kann zunächst nicht schon deswegen angenommen werden, weil die Versicherte im Herrschaftsbereich der Beklagten aus dem Rollstuhl gestürzt ist. Die Versicherte befand sich mit dem Rollstuhl auf dem Flur und zum Zeitpunkt des Sturzes war kein Pflegepersonal anwesend. Die Beklagte schuldete jedoch keine ständige ununterbrochene Betreuung der Versicherten im Sinne einer ständigen Anwesenheit einer Pflegekraft, sondern musste im Rahmen ihrer Möglichkeiten in regelmäßigen Abständen je nach den Bedürfnissen des Einzelfalls nach den Bewohnern sehen. Hier hat die Beklagte vorgetragen, dass die Versicherte unmittelbar vor dem Sturz noch mit Hilfe einer Pflegekraft die Toilette aufgesucht habe und ein besonders unruhiges Verhalten der Versicherten zu diesem Zeitpunkt nicht festgestellt werden konnte. Eine ständige Betreuung der Versicherten in dieser Situation war somit nicht erforderlich.

Die Beklagte war auch nicht angesichts der vorausgegangenen Ereignisse gehalten, für eine ständige Betreuung der Versicherten durch die permanente Anwesenheit einer Pflegekraft - wie die Klägerin selbst einräumt - zu sorgen. Vielmehr wären geeignete Maßnahmen zur Sicherung der gefährdeten Versicherten allein eine Fixierung im Bett oder im Rollstuhl gewesen, so dass die Versicherte nicht mehr alleine hätte aufstehen können. Zur Vornahme derartiger Maßnahmen war die Beklagte aber ohne Genehmigung des VormG nicht berechtigt, § 1906 Abs. 4 BGB. Gemäß § 1906 BGB ist die Unterbringung eines Betreuten nur mit Genehmigung des VormG zulässig, wobei gem. Abs. 4 der Vorschrift auch freiheitsentziehende Maßnahmen durch mechanische Vorrichtungen der Genehmigungspflicht unterliegen. Da die Versicherte unter Betreuung stand, war es insofern zutreffend, zunächst den Betreuer zu informieren, der seinerseits weitere erforderliche Maßnahmen zu veranlassen gehabt hätte.

Die Beklagte war zur Zeit des streitgegenständlichen Sturzes noch nicht gehalten, ihrerseits bei dem VormG die Genehmigung für eine Fixierung der Versicherten zu beantragen, sondern konnte sich mit einer entsprechenden Benachrichtigung des Betreuers begnügen. Es kommt in diesem Zusa...

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