Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 23.06.2000; Aktenzeichen (570) 2 Wi Js 56/99 Ns (169/99))

 

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Juni 2000 im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der wegen Bestechung verhängten Einzelstrafe und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs infolge Alkoholeinwirkung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung (Einzelgeldstrafe: 50 Tagessätze zu je 60,- DM) und wegen Bestechung (Einzelgeldstrafe: 90 Tagessätze zu je 60,- DM) zu einer Gesamtgeldstrafe von 115 Tagessätzen zu je 60,- DM verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis unter Einziehung des Führerscheins mit einer Sperrfrist von sechs Monaten entzogen. Auf die Berufung des Angeklagten, die, er in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte, hat das Landgericht dieses Urteil dahin abgeändert, daß es die Einzelgeldstrafe wegen Bestechung auf 70 Tagessätze zu je 60,- DM herabgesetzt und den Angeklagten zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60,- DM verurteilt hat; ferner hat es Zahlungserleichterungen für die Gesamtgeldstrafe gewährt, die Entziehung der Fahrerlaubnis wegfallen lassen und an deren Stelle ein Fahrverbot von drei Monaten gegen den Angeklagten verhängt. Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt, beschränkt, auf die Verurteilung wegen Bestechung, die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.

Das Landgericht stützt die Bemessung der wegen Bestechung verhängten Einzelstrafe auf die Annahme, daß ein minder schwerer Fall gemäß § 334 Abs. 1 Satz 2 StGB gegeben sei. Diese Wertung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Ein minder schwerer Fall liegt dann vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem Maße abweicht, daß die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Zur Beurteilung ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für eine Wertung von Tat und Täter in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Dabei sind alle wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände gegeneinander abzuwägen (vgl. BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamt Würdigung 5). Das angefochtene Urteil läßt besorgen, daß das Landgericht die erforderliche Gesamtwürdigung nicht vorgenommen und Gesichtspunkte, die bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, von Bedeutung sein könnten, außer acht gelassen hat.

a)

Das Landgericht (UA S. 6) beruft sich für die Annahme eines minder schweren Falles zwar auf die "Gesamtsituation", die "von den gewöhnlichen und typischerweise auftretenden Fällen der Bestechung und Vorteilsgewährung" abweiche, führt jedoch einseitig nur Umstände an, die es für entlastend hält: Der Angeklagte habe sich wegen einer grippalen Erkrankung und bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,77 Promille zur Vorfallzeit in einer "Sonderlage" befunden; auf der Fahrt zur Blutentnahme habe er den Funkstreifenbeamten "spontan" auf die Vorteilsgewährung von 3.000,- DM angesprochen, wenn er von weiteren Maßnahmen ablasse; dabei hätte ihm klar sein müssen, daß sein Vorhaben ohne die Beeinflussung des zweiten Streifenbeamten, der am Steuer gesessen habe, von vornherein habe erfolglos sein müssen.

b)

Allerdings wäre es ausreichend, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang des Urteil auch Schärfungsgründe ergäben (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1, Begründung 4), zum Beispiel im Rahmen der konkreten Strafbemessung (vgl. BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 6). Auch das ist jedoch nicht der Fall. Das Landgericht (UA S. 5) wertet zwar "zu Lasten" des Angeklagten, daß er infolge der alkoholbedingten Fahruntauglichkeit einen Unfall mit Sach- und Personenschaden verursacht habe, doch bezieht sich diese Erwägung ersichtlich nur auf die Bemessung der Einzelstrafe wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung. Daß das Landgericht hieraus dem Angeklagten nachteilige Schlüsse für die Bewertung der "Gesamtsituation" in bezug auf den Bestechungsvorwurf gezogen hat, ist nicht ersichtlich. Auch bei der Strafzumessung im engeren Sinne (UA S. 6 unten) werden keine Strafschärfungsgründe erörtert.

c)

Das Tatbild einer Bestechung wird wesentlich von der Schwere und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung sowie von Art und Umfang der Gegenleistung bestimmt. Die Revision weist zu Recht darauf hin, daß der Gesetzgeber bei der Schaffung des Ausnahmestrafrahmens nach § 334 Abs. 1 Satz 2 StGB an Fälle ...

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