Leitsatz (amtlich)

Kommen bei einer Minderung des Einkommens eines Selbständigen nach einem Verkehrsunfall unfallunabhängige Faktoren für den Gewinneinbruch (z.B. Konjunkturentwicklung, Fehldispositionen) in Betracht, handelt das erstinstanzliche Gericht verfahrensfehlerhaft, wenn es einen unfallbedingten Erwerbsschaden nach § 252 BGB, § 287 ZPO schätzt, ohne insoweit ein Sachverständigengutachten eingeholt zu haben.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 02.10.2000; Aktenzeichen 24 O 366/98)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 2.10.2000 verkündete Teilurteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin - 24 O 366/98 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 7.10.1998 verurteilt, an den Kläger weitere 8.782,95 Euro nebst 4 % Zinsen seit 13.8.1998 zu zahlen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 71 % und der Beklagte 29 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die am 9.11.2000 eingelegte und mit einem am 4.12.2000 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Beklagten richtet sich gegen das am 16.10.2000 zugestellte zweite Teilurteil der Zivilkammer 24 des LG Berlin vom 2.10.2000, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Der Beklagte verfolgt sein erstinstanzliches Abweisungsbegehren weiter und macht geltend, der Kläger habe den verlangten Verdienstausfallschaden nicht hinreichend dargetan. Es fehle jegliche Darlegung dazu, dass der vom LG angenommene Gewinnrückgang in der Zeit nach dem Unfall entstanden sei. Ursache für den geringen Gewinn in der Bilanz für 1997 sei vielmehr, dass im fraglichen Zeitraum rund 112.000 DM für Material mehr aufgewandt worden seien als im Jahre 1996. Aus den in den Bilanzen ersichtlichen Umsätzen, die für das Jahr 1997 etwa gleich hoch gewesen seien wie in den Vorjahren, ergebe sich, dass im Unfalljahr keine Minderung der Betriebsleistungen eingetreten sei.

Der Beklagte meint, mangels hinreichender Anhaltspunkte hänge eine Schadensschätzung gleichsam in der Luft. Jedenfalls müsse sich der Kläger das von der Bauberufsgenossenschaft erhaltene Verletztengeld i.H.v. 14.904 DM auf den Verdienstausfallschaden anrechnen lassen.

Der Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Teilurteils des LG Berlin vom 2.10.2000 - 24 O 366/98 - abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, die Materialeinkäufe habe er nicht auf Vorrat, sondern im Hinblick auf bereits erteilte Aufträge getätigt. Unter normalen Umständen hätte er den Umsatz also entsprechend dem größeren Materialeinsatz gesteigert. Weiter behauptet der Kläger, er habe in den Jahren seit 1998 erheblich höhere Gewinne als im Schadensjahr erwirtschaften können. Im Jahre 1999 habe er einen Gewinn von 131.049,99 DM erwirtschaftet, im Jahr 2000 einen Gewinn i.H.v. 136.519,36 DM und im Jahr 2001 einen solchen i.H.v. 173.418,06 DM.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 2.8.2001 (Bd. II Bl. 143) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 12.9.2003 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil vom 2.10.2000 ist teilweise begründet. Abweichend vom LG schätzt der Senat auf der Grundlage des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. A. den dem Kläger unfallbedingt entstandenen Verdienstausfallschaden auf lediglich 8.353,62 Euro.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend beanstandet der Beklagte, dass das LG nicht allein aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Bilanzgewinne für die Jahre 1995, 1996 und 1998 hätte schätzen dürfen, ohne zuvor das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen. Zwar hat das LG die Grundsätze für die Berechnung des Erwerbsschadens eines selbständigen Unternehmers zutreffend wiedergegeben. Es hätte sich jedoch der Hilfe eines Sachverständigen bedienen müssen, um unfallunabhängige Faktoren, die gerade im vorliegenden Fall auch in Betracht kamen, wie Konjunkturentwicklung, Fehldispositionen im Betrieb etc., von den Folgen des Unfalls abzugrenzen (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 7. Aufl., Rz. 99; OLG Oldenburg v. 10.11.1992 - 5 U 43/92, NJW-RR 1993, 798). Zudem hatte der Beklagte erstinstanzlich auf eine Reihe von Auffälligkeiten hingewiesen, wie beispielsweise die in den vom Kläger vorgelegten Bilanzen ausgewiesenen ungewöhnlich hohen Materialkosten im Jahr 1997, die der Kläger nur unzureichend erklärt hat.

2. Der Senat sieht sich in der Lage, unter Berücksichtigung der Beweiserleichterungen gem. §§ 252 BGB, 287 ZPO auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens eine Schätzung des dem Kläger entstandenen Verdienstausfallschadens vorzunehmen.

a) Überzeugend und nachvollziehbar hat der Sachve...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?