Leitsatz (amtlich)
1. Für einen Rechtsstreit zwischen Grundstücksnachbarn betreffend die Unterlassung immissionsauslösender Handlungen gemäß den §§ 1004, 906 BGB ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, § 13 GVG.
2. Zivilrechtliche Ansprüche betreffend die Unterlassung immissionsauslösender Handlungen kann auch der Besitzer entsprechend den §§ 1004, 906 BGB geltend machen.
3. Die Anwendung der §§ 1004, 906 BGB wird durch § 14 BImschG nur ausgeschlossen, wenn für die immissionsauslösende Anlage ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 4 BImschG i.V.m. § 10 BImschG/4. BImschV oder ein vergleichbares Verfahren durchgeführt wurde.
4. Die Häufigkeit und Intensität der Beeinträchtigung des Eigentums i.S.v. § 1004 BGB kann bei Rauchimmissionen auch durch Zeugenbeweis nachgewiesen werden, wenn sich die immissionsauslösende Situation nicht zuverlässig nachstellen lässt. Bei der Würdigung der Zeugenaussage hat das Gericht auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen abzustellen und darauf, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist.
5. Hat der betroffene Nachbar die Beeinträchtigung und die Ursächlichkeit nachgewiesen, muss der Einwirkende darlegen und beweisen, dass die Beeinträchtigung unwesentlich, bzw. die Benutzung ortsüblich war.
6. Eine unwesentliche Beeinträchtigung durch den Betrieb eines offenen Kamins liegt in der Regel vor, wenn dieser sich auf 8 Tage im Monat mit jeweils 5 Stunden am Tag beschränkt. Für den Fall, dass sich auf einem Grundstück mehrere Kamine befinden, findet eine Addition dieser Werte nicht statt.
7. Der Tenor eines Unterlassungsurteils hinsichtlich Rauchimmissionen kann sich auf ein allgemeines, an dem Gesetzeswortlaut angelehntes Unterlassungsgebot beschränken.
Normenkette
GVG § 13; BGB §§ 1004, 906; BImSchG § 14
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 25.04.2008; Aktenzeichen 36 O 278/07) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 25.4.2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 36 des LG Berlin - 36 O. 278/07 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Kläger zu 6-8 in der Hauptsache erledigt ist.
Die Kosten der Berufungsinstanz hat der Beklagten zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die Kosten des Zwischenvergleichs vom 28.4.2010; diese haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerinnen und Kläger zu 1, 2, 4, 5, 6 und 8 sowie die am 25.8.2006 verstorbene ...sind oder waren ausweislich der vorgelegten Grundbuchauszüge des AG Schöneberg, Grundbuch von ...(K 1, 11 und 12) Nießbraucher, Eigentümer oder Miteigentümer der Grundstücke ...,..., ...und ...in Berlin-Dahlem. Der Kläger zu 3 ist der Ehemann der Klägerin zu 2. Der Kläger zu 7 ist der Testamentsvollstrecker über den Nachlass der ...
Der Beklagte wohnt nach dem Vorbringen der Kläger seit Frühjahr 2006, nach eigenem Vorbringen seit Anfang 2005 auf dem Grundstück ...in Berlin-Dahlem. Die Grundstücke ...und ...und das Grundstück ...grenzen jeweils an der straßenabgewandten Seite aneinander. Das Grundstück ...befindet sich von der ...aus gesehen schräg hinter dem Grundstück ...neben dem Grundstück ... Wegen der genauen Lage wird auf das zu den Akten gereichte Kartenblatt ...des Bezirksamtes Steglitz-Zehlendorf von Berlin, Abteilung Bauen, Stadtplanung und Naturschutz (K 2) Bezug genommen.
Die Kläger haben vorgetragen, dass sie auf ihren Grundstücken wohnhaft seien, der Kläger zu 3 auf dem seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2, gehörenden Grundstück. Der Beklagte habe unmittelbar nach seinem Einzug mit einer exzessiven Nutzung eines seiner offenen Kamine begonnen. Im Durchschnitt sei der Kamin insbesondere im Winter täglich mehr als 5 Stunden in Betrieb gewesen. Beispielhaft seien die von der Klägerin zu 1 dokumentierten Betriebszeiten in den Monaten Januar bis März 2007 (K 3), Mitte Oktober bis Mitte November 2007 (K 13) und Mitte Januar bis Mitte Februar 2008 (K 14). Der aus dem Kamin austretende Rauch sei scharf, beißend und übelriechend. Die dunkle Verfärbung deute auf die Verwendung unzulässigen Brennmaterials hin. Selbst bei nur schwachem Wind wirke der Rauch während der Betriebszeit auf die Grundstücke, Häuser und Wohnungen der Kläger auch bei geschlossenen Fenstern ein. Dies habe zu einer nicht mehr hinnehmbaren Einschränkung ihrer Lebensqualität und zu Gesundheitsbeeinträchtigungen bei den Klägern geführt.
Nachdem der Beklagte in der Klageerwiderung vom 20.8.2007 die Prozessführungsbefugnis der ursprünglich als Klägerin zu 6 auftretenden Erbengemeinschaft ...beanstandet hat, haben die Kläger im Schriftsatz vom 3.12.2007 erklärt, sie "berichtigen" die Klage dahingehend, dass Kläger zu 6 Rechtsanwalt ...als Testamentsvollstrecker über den Nachlass der am 25.8.2006 verstorbenen ......