Entscheidungsstichwort (Thema)

Blendung durch Photovoltaikanlage auf dem Dach des Nachbarhauses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Blendungen durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach eines Wohnhauses sind vom Nachbarn grundsätzlich nur dann zu dulden, wenn die Beeinträchtigungen für diesen nur unwesentlich i.S.v. § 906 Abs. 1 BGB sind.

2. Für eine "ortsübliche Benutzung" i.S.v. § 906 Abs. 2 BGB reicht es nicht aus, dass Solarpaneele auf den Hausdächern in einem bestimmten Wohngebiet üblich sind; vielmehr ist von einer "ortsüblichen Benutzung" bei Blendwirkungen nur dann auszugehen, wenn auch die damit verbundene Beeinträchtigungen in ähnlicher Art und Intensität für die Nachbarn in dem Wohngebiet üblich sind.

 

Normenkette

BGB §§ 906, 1004 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Urteil vom 30.09.2011; Aktenzeichen 5 O 42/08 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Konstanz vom 30.9.2011 - 5 O 42/08 R - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, die von der Solaranlage auf dem Gebäude ihres Hausgrundstücks S. Straße ... Si. ausgehende unzumutbare Sonnenblendwirkung zu verhindern, soweit die Wohnung der Klägerin im Hausgrundstück B. Straße ... Si. betroffen ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Streithelferin behält ihre Kosten in beiden Instanzen auf sich. Im Übrigen trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist in ungeteilter Erbengemeinschaft mit ihrem Bruder Eigentümerin des Grundstücks B. Straße ... in Si., die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks S. Straße ... in Si.. Die Klägerin wohnt selbst in ihrem Haus.

Auf dem Haus der Beklagten befindet sich ein Satteldach. Sowohl auf der nach Westen geneigten Dachfläche als auch auf der östlichen Dachfläche befinden sich Paneele für eine Photovoltaikanlage. Das Grundstück der Klägerin befindet sich östlich vom Anwesen der Beklagten. Unter bestimmten Umständen wird Sonnenlicht von der Solaranlage, die sich auf dem östlichen Teil des Hausdaches der Beklagten befindet, so reflektiert, dass Blendwirkungen in der Wohnung der Klägerin im Nachbarhaus auftreten. Über Umfang und Intensität dieser Blendwirkungen besteht teilweise Streit.

Die Klägerin hat im Verfahren vor dem LG von der Beklagten verlangt, Maßnahmen zu ergreifen, welche die Blendwirkungen für die von ihr bewohnte Wohnung verhindern. Außerdem hat die Klägerin die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 1.291,03 EUR verlangt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Die Beeinträchtigungen der Klägerin durch die von der Photovoltaikanlage ausgehenden Blendungen seien geringfügig und daher nur unwesentlich i.S.v. § 906 Abs. 1 BGB. Die Klägerin müsse eventuelle Beeinträchtigungen auch deshalb hinnehmen, weil Solaranlagen auf Hausdächern inzwischen allgemein üblich seien, auch in dem von den Parteien bewohnten Wohngebiet. Auch wenn die Energieausbeute auf einem nach Osten weisenden Dach geringer sei als bei einer Ausrichtung der Paneele nach Süden oder nach Westen, sei die Anlage auch auf dem Ostdach für die Beklagte wirtschaftlich sinnvoll und notwendig. Eine vollständige Verhinderung von Blendwirkungen für die Klägerin (beispielsweise durch einen Sichtschutz oder durch eine Verkippung der Paneele) sei aus technischen Gründen nicht möglich und wäre im Übrigen - hilfsweise - wegen der damit verbundenen Kosten für die Beklagte unzumutbar.

Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung von zwei Sachverständigengutachten zur Feststellung und lichttechnischen Bewertung der Blendwirkungen einerseits und zu möglichen baulichen Maßnahmen zur Verhinderung von Blendwirkungen andererseits. Mit Urteil vom 30.9.2011 hat das LG die Klage abgewiesen. Zwar stehe nach dem Gutachten des Sachverständigen D. B. fest, dass erhebliche Blendungswirkungen von der Photovoltaikanlage ausgehen, die als wesentlich i.S.v. § 906 Abs. 1 BGB anzusehen seien. Die Klägerin sei jedoch verpflichtet, diese Beeinträchtigungen zu dulden. Denn Photovoltaikanlagen auf den Hausdächern seien im Wohngebiet der Parteien ortsüblich. Bauliche Maßnahmen zur Verhinderung der Blendungen seien der Beklagten nicht zuzumuten, da solche Maßnahmen nach den Feststellungen des Sachverständigen Feth mit unvertretbaren Kosten verbunden wären.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie greift zum einen die Feststellung des Sachverhalts durch das LG insoweit an, als die Klägerin noch in wesentlich größerem zeitlichen Umfang mit Blendungen rechnen müsse, als vom LG angenommen. Vor allem könne nicht von ortsüblichen Einwirkungen ausgegangen werden. Hierbei sei insbesondere zu...

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